Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Cobra

Titel: Cobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Zahn
Vom Netzwerk:
die Höhe ab und sprang.
    Wenn überhaupt, hatte sie etwas zu hoch geschätzt, und eine Sekunde später blickte sie plötzlich aus der Luft auf das Dach des Sammon’schen Hauses hinab. Zum Glück war Daulos Urgroßvater beim Bau des Hauses mit Stuckdekor verschwenderisch umgegangen, und so hatte sie keine Mühe, mit Händen und Füßen Halt zu finden, als ihre Aufwärtsbewegung den Scheitelpunkt erreichte und es wieder abwärtsging. Sorgfältig darauf bedacht, keinen Lärm zu machen, kletterte sie über das leicht geneigte Dach hinweg zu dessen höchstem Punkt. Von diesem Aussichtspunkt aus konnte sie einen großen Teil der Siedlung überblicken. Und dort, vielleicht einen Kilometer nach Westen, stand die Mauer.
    Sie sah ungefähr so aus, wie sie es nach den Bildern von qasamanischen Siedlungen weiter im Norden und Osten erwartet hatte. Der Hauptteil bestand aus drei Meter hoher, widerstandsfähiger
Keramik, die hart und dick genug war, um dem Ansturm eines Bololins Widerstand zu leisten, wobei die Oberfläche auf der Innenseite so bemalt war, dass sie mit dem gleich dahinter liegenden Wald verschmolz. Anders als jene Mauern von den Fotos besaß diese einen Aufsatz: eine Aufstockung aus einer Art Metallgitter, die das Ganze um zwei weitere Meter erhöhte.
    In der Mitte des Zaunes hielt sich mit allen vieren der Stachelleopard fest, den sie gehört hatte.
    Jin biss sich auf die Unterlippe. Unter dem Tier lief eine Handvoll mit großen Handfeuerwaffen bewaffnete Gestalten entschlossen hin und her. Doch selbst mit ihren auf extreme Vergrößerung eingestellten optischen Verstärkern konnte sie nicht sagen, ob sich Daulo unter ihnen befand. Wahrscheinlich nicht, sagte sie zu sich selbst. So schnell kann er unmöglich dort angekommen sein.
    Noch während sie dies dachte, hielt ein Wagen neben der Mauer, und heraus stieg Daulo.
    Ein paar Sekunden lang besprach er sich mit den bereits anwesenden Männern. Dann legten zwei von ihnen Leitern an und kletterten bis zum oberen Rand der Hauptmauer hinauf, wobei sie ausreichend Abstand zum Stachelleoparden hielten. Unter ihnen legten Daulo und ein anderer beidhändig, in der Art von Scharfschützen, ihre Waffen an. Offensichtlich hofften sie, das Raubtier töten und sich den Kadaver greifen zu können, bevor er draußen zu Boden fiel.
    Idioten, dachte Jin. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Entweder würden die Männer dort oben von verirrten Kugeln oder Querschlägern erwischt, oder dem Stachelleoparden würde dies in seinem Todeskampf gelingen. Wegen ihres dezentralen Nervensystems war es nicht einfach, Stachelleoparden zu erlegen, und ganz bestimmt ging es nicht schnell.
    Der vielfache Blitz der Waffen nahm ihr verstärktes Sehvermögen wie das Blinken der Sonne auf einer sich kräuselnden Wasseroberfläche wahr. Sie biss sich auf die Unterlippe … und als das Stottern der Schnellfeuerwaffen sie erreichte, war alles schon
vorbei. Der Stachelleopard war noch nicht völlig am Gitterzaun in sich zusammengesackt, als die Männer auf der Mauer bereits bei ihm waren und die Hände durch das Gitter steckten, um das Tier bei den Vorderfüßen zu packen. Zwei weitere Männer – Jin hatte nicht einmal bemerkt, wie sie auf die Mauer geklettert waren – ergriffen den oberen Rand des Gitterzaunes, zogen sich hoch und hinüber auf die Seite des Stachelleoparden. Eine Sekunde später hielten sie je ein Hinterbein in einer Hand, und während sie sich mit der anderen festhielten, wuchteten sie den Kadaver über den Rand, so dass er innerhalb der Mauer auf den Boden schlug.
    Jin atmete leise auf. Ein Schauer kroch ihr den Rücken hinauf, als die beiden Männer über den Maschendraht zurück in Sicherheit kletterten. Natürlich wussten diese Leute, was sie taten – schließlich hatten sie eine ganze Generation lang Zeit gehabt, sich zu überlegen, wie sie mit den Stachelleoparden fertigwerden mussten, die ihnen die Cobra-Welten als Vermächtnis hinterlassen hatten. In dieser Hinsicht brauchte sie sich um die Qasamaner wohl keine Sorgen zu machen.
    Daulo stieg wieder in seinen Wagen. Vorsichtig ging Jin den Weg zum Rand des Daches zurück, den sie gekommen war. Mit ihren Beinservos und den keramikbeschichteten Knochen, die den Aufprall abfangen konnten, wäre sie am schnellsten wieder unten gewesen, wenn sie sich geradewegs in den Innenhof hätte fallen lassen. Doch möglicherweise hörte jemand den Aufprall, und nach dieser Demonstration von Feuerkraft war ihr nicht danach zumute, ungewollte

Weitere Kostenlose Bücher