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Cobra

Titel: Cobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Zahn
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Erwachsenenwelt zugänglich gemacht hatte, und noch immer überkam ihn jedes Mal eine gewisse Nervosität, wenn er die Lade öffnete. Das werde sich mit der Zeit geben, hatte man ihm erklärt.
    Einen Augenblick lang starrte er auf den Inhalt und überlegte, welches Mittel wohl das beste wäre. Die vier mit roten Etiketten versehenen – verschiedene Arten geistiger Stimulanzien – zogen seinen Blick verlockend auf sich, doch er ließ sie, wo sie lagen. Im Allgemeinen galt: Je stärker die Droge, desto stärker ihre Wirkung hinterher, und er war nicht besonders scharf darauf, eine ganze Nacht lang unter Alpträumen zu leiden oder am nächsten Tag mit Schwindelgefühlen flachzuliegen. Stattdessen entschied er sich für ein leichtes Selbsthypnotikum, das ihm helfen würde, ein wenig Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Mit ein wenig Glück würde ihm das gelingen. Und wenn nicht … nun, dann hatte er immer noch die geistigen Stimulanzien in der Hinterhand.
    Er kehrte auf seine Polster zurück, leerte die Kapsel in den Räucherbehälter und steckte sie an. Der Rauch stieg in die Luft, erst dünn und duftend, dann zunehmend schwerer und ölig riechend. Und während er den Raum einhüllte, unternahm er einen letzten Versuch, den Gordischen Knoten mit Namen Jasmine Alventin zu entwirren.
    Jasmine Alventin. Eine geheimnisvolle junge Frau, Überlebende eines »Unfalls«, den niemand gesehen hatte und den daher niemand bestätigen konnte. Eine vom Zeitpunkt her verdächtige
Ankunft in Milika, die zusammenfiel mit hektischen Aktivitäten der Yithra-Familie bei ihren Holzgeschäften und neuen Metallbestellungen durch Mangus. Sie sprach wie ein Wirtschaftsvertreter aus der Stadt, ihre Manieren passten dagegen ganz und gar nicht dazu. Und was sie in dieser kultivierten Sprache alles von sich gegeben hatte …
    Selbst als ihn die beruhigende Wirkung des Hypnotikums wie ein Kokon einhüllte, ließ Daulo diese Frau nicht los. Ich möchte mit Ihnen gehen, hatte sie gesagt, so als wäre es für eine junge Frau etwas Alltägliches, mitten in der Nacht loszuziehen, um einen Razorarm zu erledigen. Ich möchte Ihnen helfen – vollkommen lächerlich von einer Frau, die weder Familie noch Vermögen besaß. Es war, als lebte sie in einer eigenen, abgeschiedenen Welt, die ihre eigenen Regeln hatte.
    Und doch konnte man sie nicht einfach als geistig verwirrt abtun. Wann immer er sie dafür hielt, sagte sie ganz beiläufig irgendetwas, das ihn vom genauen Gegenteil überzeugte. Ein halbes Dutzend Beispiele fiel ihm ein, am eindeutigsten war, wie selbstverständlich sie begriffen hatte, welche Folgen es mit sich brachte, dass der Milikasee auf dem Gebiet der Familie Sammon lag. Noch beunruhigender war ihr Talent dafür, Fragen auszuweichen, die sie nicht beantworten wollte … und ein solches Talent erforderte Intelligenz.
    Was war sie also? Unschuldiges Opfer, wie sie behauptete? Oder eine Spionin? Die Fakten ordneten sich fast greifbar vor Daulos Augen … ohne auch nur den geringsten Nutzen. Der Knoten blieb fest verschlungen, und die einzig neue Schlussfolgerung, zu der er kam, war die, dass er sowohl gegen seinen Willen als auch gegen seinen gesunden Menschenverstand anfing, sie zu mögen.
    Lächerlich. Er schnaubte, was einen leichten Hustenanfall auslöste. Es war lächerlich – absolut und vollkommen lächerlich. Ohne Stellung stand sie selbst im günstigsten Fall gesellschaftlich unter ihm, und im allerschlimmsten Fall benützte sie ihn kalt dazu, alles zu zerstören, was ihm lieb und teuer war.

    Und doch, auch wenn er in Gedanken die Gründe betrachtete, die gegen sie sprachen, musste er zugeben, dass sie etwas an sich hatte, das er unwiderstehlich fand.
    Das hat mir gerade noch gefehlt, nörgelte er im Stillen. Also noch etwas an Jasmine Alventin, das sich nicht entknoten lassen will. Aber was konnte das sein? Nicht ihr Gesicht oder ihre Figur, beides war durchaus ansehnlich, aber er hatte weit bessere gesehen, ohne sich gefühlsmäßig aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen. Ihre Erziehung war es bestimmt nicht, sie bekam nicht einmal das Zeichen des Respekts fehlerfrei hin.
    »Guten Abend, Daulo.«
    Erschrocken fuhr Daulo auf seinen Polstern um, blinzelte durch den Dunst und sah, wie sein Vater ruhig zwischen den hängenden Raumteilern aus Stoff eintrat. »O mein Vater«, sagte er und wollte sich erheben.
    Kruin hielt ihn mit einer Handbewegung zurück. »Du hast heute beim Abendessen nicht an deinem Platz gesessen«, sagte

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