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Cobra

Titel: Cobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Zahn
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mir Ihre Familie geliehen hat, stehe ich bereits tief genug in Ihrer Schuld.«
    Daulo nickte. »Sollte Ihnen noch irgendetwas einfallen, zögern Sie nicht, es mich wissen zu lassen. Da Sie gerade davon sprechen, haben Sie sich schon überlegt, wann Sie abreisen wollen?«
    Jin zuckte mit den Achseln. »Ich möchte Ihre Gastfreundschaft nicht länger in Anspruch nehmen als nötig«, sagte sie. »Ich könnte noch heute abreisen, wenn ich Ihnen zur Last falle.«
    Ganz kurz verzog sich seine Miene. »Wenn Sie es so wollen, das lässt sich natürlich einrichten«, sagte er. »Aber zur Last fallen Sie uns bestimmt nicht. Und ich würde Ihnen zudem raten, so lange zu bleiben, bis Sie sich völlig von dieser Tortur erholt haben.«
    »Das wäre allerdings zu bedenken«, gab sie zu. »Ich möchte wirklich nicht irgendwo zwischen Azras und Sollas zusammenbrechen
– denn nochmals irgendwo Hilfe und Fürsorge wie die der Familie Sammon zu finden, das wäre wohl kaum möglich.«
    Er schnaubte. »Ich sehe, man hat Sie in der hohen Kunst der Schmeichelei unterrichtet.« Dennoch schien ihm die Bemerkung zu gefallen.
    »Eigentlich nicht – nur die hohe Kunst der Wahrheit«, konterte sie leichthin. Wenn man mal von der gewaltigen Lüge absieht, die ich Ihnen ständig über mich auftische. Der Gedanke trieb ihr die Röte auf die Wangen, sie sah sich rasch nach etwas um, auf das sie das Thema lenken könnte. Im Nordwesten hinter dem Markt stand ein seltsam geformtes Gebäude. »Was ist das?«, fragte sie und zeigte darauf.
    »Nur die Verkleidung der Minenaufzüge«, erklärte er. »Nicht gerade attraktiv, aber mein Vater war der Ansicht, dass sie zu oft entfernt werden muss und deshalb nicht so aufwendig gestaltet werden sollte.«
    »Ja, richtig – gestern Abend hat Ihr Vater eine Mine erwähnt«, nickte Jin. »Um was für eine Mine handelt es sich?«
    Daulo warf ihr einen sehr kühlen Blick zu. »Das wissen Sie nicht?«
    Jin spürte, wie ihr der Schweiß auf die Stirn trat. »Nein. Sollte ich?«
    »Ich hätte gedacht, jeder, der eine Reise plant, würde sich wenigstens ein bisschen über die Gegend informieren, die er besucht«, erwiderte er leicht gekränkt.
    »Darum hat sich mein Bruder gekümmert«, improvisierte sie. »Er hat sich immer … der Einzelheiten angenommen.« Mander Suns Gesicht erschien ungebeten vor ihren Augen. Ein Gesicht, das sie nie wiedersehen würde …
    »Sie haben Ihren Bruder sehr gemocht, nicht wahr?«, fragte er mit leiser Stimme.
    »Ja«, flüsterte sie, während Tränen ihren Blick trübten. »Ich habe Mander sehr gemocht.«
    Einen Augenblick lang standen sie schweigend da. Das Menschengewühl umwogte sie wie tosende Brandung. »Was passiert
ist, kann man nicht mehr ungeschehen machen«, meinte Daulo schließlich und drückte kurz ihre Hand. »Kommen Sie, ich möchte Ihnen unseren See zeigen.«
    In Anbetracht der Gesamtgröße von Milika hatte Jin sich den »See« eher als einen Ententeich vorgestellt, der irgendwo zwischen Straße und Häusern eingeklemmt lag, daher war sie ausgesprochen überrascht, als sie eine kräuselnde Wasserfläche von wenigstens einem Dreiviertelkilometer Länge sah, die den Abschnitt der Sammons in Milika in zwei Hälften teilte. »Er ist … groß«, brachte sie hervor, als sie auf der Brücke standen, die sich über das Wasser spannte.
    Daulo lachte. »Das ist er«, gab er ihr Recht. »Wie Sie sehen, verläuft er dort drüben unter der Großen Ringstraße hindurch und reicht ein Stück weit in das Äußere Grün hinein. Er ist das Wasserreservoir für ganz Milika, von den Erholungsmöglichkeiten nicht zu reden.«
    »Woher kommt das Wasser«?, fragte Jin. »Ich habe nirgendwo einen Fluss oder Bach gesehen.«
    »Nein, er wird durch eine unterirdische Quelle gespeist. Oder vielleicht auch durch einen unterirdischen Fluss, möglicherweise durch einen Zufluss des Somilarai-Flusses, der nördlich von hier vorüberfließt. Genau weiß das niemand.«
    Jin nickte. »Wie wichtig ist das Wasser für den Betrieb Ihrer Mine, wenn ich fragen darf?«
    Obwohl sie auf den See hinausblickte, konnte sie seine Augen auf ihrem Körper spüren. »Nicht sehr«, sagte er. »Beim Schürfen selbst wird keines verwendet, und der Verarbeitungsprozess ist rein katalytisch. Wieso fragen Sie?«
    Sie zögerte, aber es war zu spät, jetzt noch einen Rückzieher zu machen. »Sie sprachen gerade von Menschen, die nach dem Sturz anderer trachten«, sagte sie vorsichtig. »Jetzt sehe ich, dass Sie nicht nur die

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