Cobra
ist immer noch genug Zeug da – wenn man weiß, wie und wo man es findet.«
»Gehören Sie zum Untergrund?«, fragte Jonny – und wünschte sich augenblicklich, die unbedachten Worte wieder zurücknehmen zu können. Umgeben von Monitoren konnte ihre Antwort sie die letzte kleine Chance auf Freiheit kosten, die sie noch hatte.
Aber sie schnaubte bloß. »Sind Sie verrückt? Ich schlage mich als Einbrecherin durch, Kumpel, ich bin keine freiwillige Wahnsinnige.« Plötzlich bekam sie große Augen. »Sagen Sie mal, Sie sind doch nicht etwa … he, warten Sie, die denken doch nicht, dass ich … na, großartig. Großartig. Was haben Sie ausgefressen, sind Sie mit einem Laser in der einen und einer Granate in der anderen Hand ins Old Tyler gestürmt?«
»Old Tyler?«, fragte Jonny und hakte damit beim verständlichsten Teil dieses verbalen Erdrutsches ein. »Wer oder was ist das?«
»Wir befinden uns in seiner Villa«, sagte sie und runzelte die Stirn. »Glaube ich zumindest. Haben Sie das nicht gewusst?«
»Ich war bewusstlos, als man mich hierhergebracht hat. Was soll das heißen, Sie glauben es?«
»Na ja, genau genommen hat man mich in ein altes Mietshaus einen Block weiter gebracht, und dann durch einen unterirdischen Tunnel hierher. Aber ich konnte kurz einen Blick durch ein nicht versperrtes Fenster werfen, als man mich durch das Hauptgebäude geführt hat, und ich glaube, ich habe die Außenwand der Tyler-Villa gesehen. Wie auch immer, auch ohne die tollen Möbel und all das kann man sehen, dass die Zimmer hier für einen Reichen entworfen wurden.«
Die Tyler-Villa. Der Name war ihm aus Ama Nukis Geschichts-/ Geografie-Stunden vertraut: ein großes Haus in einer Art Pseudo-Reginine-Stil für Millionäre, wie er sich erinnerte, das im Süden der Stadt erbaut worden war, noch bevor sich hier die Industrie niedergelassen hatte. Über den Aufenthaltsort des zurückgezogen lebenden Besitzers seit der Troftinvasion hatte Ama Nuki nur vage Andeutungen gemacht, doch allgemein glaubte man, dass er sich in seiner Villa verbarrikadiert halte und auf die Schutzanlagen des Hauses vertraute, die sowohl Plünderer als auch Aliens fernhalten sollten. Jonny erinnerte sich, dass er die Trofts damals für ungewöhnlich großzügig gehalten hatte, weil sie das Haus unter diesen Umständen stehen gelassen hatten. Und er hatte sich gefragt, ob vielleicht insgeheim irgendeine Abmachung getroffen worden war. Sah ganz so aus, als hätte er Recht behalten, wenngleich diese Abmachung wahrscheinlich ein wenig einseitig war.
Doch interessanter als die jüngste Geschichte waren die Fluchtmöglichkeiten, die diese Villa bieten musste. Im Gegensatz zu einer Fabrik verfügte das Haus eines Millionärs sicherlich über einen Notausgang. Wenn es ihm gelang, diesen zu finden, konnte er vielleicht die Todesfalle umgehen, die die Trofts für ihn aufgestellt hatten. »Sie sagten, Sie seien durch einen Tunnel gekommen«, meinte er zu seiner Zellengenossin. »Sah er neu oder hastig gebaut aus? Sagen wir mal, so als hätten ihn die Trofts in den letzten drei Jahren gebuddelt?«
Sie runzelte erneut die Stirn, fixierte ihn mit hartem Blick. »Wer, zum Teufel, sind Sie eigentlich, dass Sie noch nie von Old Tyler gehört haben? Über ihn wurde mehr geschrieben als über jede andere Berühmtheit auf Adirondack – selbst ein freiwilliger Irrer kann unmöglich so dumm sein. Zumindest keiner, der in Cranach aufgewachsen ist.«
Jonny seufzte. Sie hatte ein Recht darauf zu erfahren, von wem ihr Leben möglicherweise abhing. Und ganz gewiss würde er damit keine Geheimnisse an die Trofts verraten, die sie belauschten. »Sie haben Recht – ich bin ein ganzes Stück von hier entfernt aufgewachsen. Ich bin ein Cobra.«
Sie bekam große Augen, die wieder kleiner wurden, als sie sein Äußeres taxierten. »Ein Cobra, ja? Sie sehen kaum aus, als wären Sie was Besonderes.«
»Das ist auch nicht der Sinn der Sache«, erklärte Jonny ihr geduldig. »Wir sind verdeckte Guerillakämpfer – haben Sie das vergessen?«
»Weiß ich doch. Aber ich habe gesehen, wie sich Männer als Cobras verkleidet haben, um Leute zu beeindrucken oder ihnen Angst zu machen.«
»Wollen Sie einen Beweis?« Er hatte ohnehin nach einem Vorwand dafür gesucht. Er sprang vom Tisch, trat näher an die hintere Wand und streckte seinen rechten Arm aus. Genau vor ihm, etwas unter Augenhöhe, befand sich vermutlich eine Reihe möglicher Sensorpositionen. Er nahm sie in die
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