Cobra
Ihnen oben vom Rampenturm zuwinke. Bis dahin rühren Sie sich nicht von der Stelle, verstanden? Ich möchte nicht, dass Sie in die Reichweite der Melder hineinspazieren, bevor ich herausgefunden habe, wie man sie ausschaltet.«
»Verstanden.« Akim zögerte. »Viel Glück, Jasmine Moreau.«
Akim hatte Recht: Es gab die Lücken tatsächlich, auch wenn sie ein paar angespannte Minuten ohne Deckung damit verbringen musste, zuzusehen, wie die Laser sämtliche Bewegungen ausführten, bevor sie alle vier Stellen gefunden hatte. Ihre Anordnung glich einem mäandernden Muster aus Trittsteinen, die zum Schiff selbst führten, mit Abständen dazwischen, die unter normalen Voraussetzungen ein Kinderspiel für sie gewesen wären. Beim gegenwärtigen Zustand ihres Knies jedoch würde es nicht annähernd so einfach werden.
Allerdings hatte sie keine andere Wahl. Sie biss die Zähne aufeinander und sprang.
Akim hatte gesagt, die Stellen seien jeweils einen Quadratmeter groß – Jin kamen sie erheblich kleiner vor. Aber sie waren ausreichend groß. Sie pausierte an jedem Punkt gerade lange genug, um ihr Gleichgewicht wiederzufinden und den nächsten Sprung zu planen, und hüpfte wie ein betrunkenes Känguruh durch die Zielerfassungszone. Der vorletzte Sprung brachte sie bis auf drei Meter an den Schiffsrumpf heran, der letzte brachte sie oben auf den nach vorn geschwungenen Stummelflügel.
Eine volle Minute lang hockte sie da, beobachtete und lauschte und wartete darauf, dass das Pochen in ihrem Knie nachließ. Dann richtete sie sich wieder auf und begab sich längs des Flügels nach achtern, passierte den geschwärzten Rand der Antriebsdüse und erreichte den vorderen Rand des Ladeturmes.
Der Turm war, wie das Schiff, von Trofts gebaut, und beides war erkennbar so konstruiert, dass es dicht aneinanderpasste. Doch »dicht« war ein dehnbarer Begriff, und im Näherkommen konnte Jin sehen, dass das Metall des eigentlichen Turms einen halben Meter von der Abdeckung der Luke entfernt in eine elastische Manschette aus Rubberine überging. Rubberine war nicht teuer, elastisch und wetterfest, einem Laserstrahl hielt es nicht stand. Eine Minute später hatte Jin eine körpergroße Klappe in das weiche Material geschnitten, wieder eine Minute später war sie im Innern des Turms.
Im Innern des Turms … und damit auf der Schwelle eines Raumschiffes der Trofts.
Urplötzlich traf sie der emotionale Schock, und ihr Mund war wie ausgetrocknet, als sie durch die ziehharmonikaähnliche Luftschleuse ins Innere des Schiffes trat. Im Innern eines Raumschiffes der Trofts, ging ihr durch den Kopf, und sie fröstelte, als sie mitten im langen, fremdartigen Korridor stehen blieb. Eines Schiffes der Trofts … mit Trofts an Bord?
Ihr Magen verkrampfte sich, und sie hielt den Atem an, während sie ihre akustischen Verstärker auf volle Kraft einstellte. Doch nach all dem Treiben zu urteilen, das sie ausmachen konnte, hätte das Schiff ebenso gut ein riesiges Grabmal sein können. Waren alle von Bord gegangen?, fragte sie sich. Es kam ihr töricht vor … andererseits jedoch, wenn das Leben auf einem Troft-Schiff dem ähnelte, was sie auf ihrem Weg nach Qasama durchgemacht hatte, war nicht anzunehmen, dass die Mannschaft ihre Nächte freiwillig hier verbrachte. Und wenn nur zwei, drei Wachoffiziere an Bord waren, befanden diese sich wahrscheinlich ganz vorne im Kommandomodul.
Zumindest in der Theorie war die Überlegung gut, und fürs Erste musste sie genügen. Sie kehrte zur Luftschleuse zurück und kletterte wieder in den Ladeturm.
Halb hatte sie befürchtet, man hätte die Steuerung des Bewegungsmeldersystems ins Kommandomodul geleitet, doch wie sich herausstellte, hatten die Trofts Bequemlichkeit über zusätzliche Sicherheit gestellt. Jetzt zahlten sich die langen Unterrichtsstunden in Gebrauchssprache aus: Sie überflog die beschrifteten Schalter, überlegte sich die Prozedur und schaltete das System ab.
Akim stand, Daulo bereits auf den Rücken gehievt, an die Mauer gelehnt, als sie in die kühle Nachtluft hinaustrat und winkte. Er hielt in flottem Trab auf sie zu und hatte die Rampe rasch erreicht. »Ist die Luft rein?«, zischte er, als er sich auf den Weg nach oben machte.
»Soweit ich das sagen kann«, flüsterte sie zurück. »Beeilen Sie sich – ich möchte das Sicherheitssystem nicht länger als nötig abgeschaltet lassen.«
Einige wenige Herzschläge noch, und er stand neben ihr. »Wohin jetzt?«, keuchte er und wich zurück,
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