Cobra
als sie ihm Daulo abnehmen wollte.
»Geradeaus, nehme ich an, zumindest ein Stück«, erklärte sie. »Wir müssen einen leeren Lagerraum oder etwas Ähnliches finden, wo wir ungestört sind.«
»Gut.« Er sah sie durchdringend an. »Und wenn wir es uns gemütlich gemacht haben und Zeit zum Reden ist, verraten Sie mir, weshalb genau Sie nach Qasama gekommen sind.«
80
Glücklicherweise verzögerte sich die Konfrontation dadurch, dass sie gezwungen waren, ihre Spuren zu verwischen. Die Bewegungsmelder wieder einzuschalten war das Werk von fünf Sekunden, der Versuch, das Loch, das Jin in das Rubberine geschnitten hatte, wieder zu schließen, dauerte beträchtlich länger und war weit weniger erfolgreich. Zwar konnte sie ihre Laser einsetzen, um die Ränder wieder miteinander zu verschmelzen, doch blieben dabei glänzende Streifen zurück, die sich von dem matten Material nur allzu deutlich abhoben. Es half ein wenig, die glatteren Partien mit den Fingernägeln aufzurauen, doch das genügte nicht, und schließlich gab sie ihre Bemühungen auf. Wie Akim ganz richtig bemerkte: Wer durch den Tunnel hereinkam, war vermutlich ohnehin mehr damit beschäftigt, nicht den Halt zu verlieren, als sich die Wände anzusehen.
Im Schiff war noch immer alles ruhig, als sie sich auf den Weg durch den langen Mittelgang machten. Jin hatte gehofft, sich in einem leeren Laderaum verstecken zu können, wo sie ungestört und sicher waren, doch schnell war klar, dass dieser Plan geändert werden musste. Die meisten Räume, die sie längs ihres Weges entdeckten, waren abgeschlossen, und in den wenigen, die offen waren, hatte man eine ziemliche Ansammlung verschiedener mit Strichcodes versehener Kisten mittels Sicherungsnetzen an Wand und Decke befestigt. Bei einem Zwischenstopp gab Akim zu bedenken, dass selbst trotz der Kisten noch genug Platz war für alle drei. Jin wandte dagegen ein, dass die Trofts vermutlich am Morgen zurückkommen würden, um mit dem Entladen fortzufahren.
Also gingen sie weiter. Schließlich entdeckten sie im vorderen Teil des Frachtraums, gleich achtern von dem langen Schiffsrumpf, eine unverschlossene Pumpenkammer mit genügend Platz auf dem Boden, so dass zumindest zwei von ihnen gleichzeitig
liegen konnten. »Das sollte genügen, wenigstens fürs Erste«, entschied Jin, während sie einen letzten Blick in die leeren Gänge warf, bevor sie die Tür hinter ihnen schloss. »Lassen Sie mich Ihnen mit Daulo helfen.«
»Ich hab ihn schon«, sagte Akim und setzte den jungen Mann an der Wand ab. »Gibt es hier ein Licht, das wir einschalten können?«
Der Schein, der vom Gang aus hereinfiel, reichte für Jins Lichtverstärker. Sie fand den Schalter und schaltete die in die Wände eingelassene Beleuchtung der Kammer ein. »Lange sollten wir sie aber nicht brennen lassen«, warnte sie Akim.
»Verstehe«, nickte Akim und unterzog den Raum einer raschen Überprüfung.
»Sehen Sie irgendetwas, das wir als Kopfkissen verwenden könnten?«, fragte Jin und ließ sich vorsichtig neben Daulo auf dem Boden nieder.
Akim schüttelte den Kopf. »Seine Schuhe tun es aber auch.« Er bückte sich, zog Daulo die Schuhe aus und beugte sich unbeholfen über den bewusstlosen jungen Mann.
»Das kann ich doch machen«, bot Jin ihm an und streckte die Hand aus.
»Ich komme schon zurecht«, meinte Akim bissig und wich ihren Händen aus. Die Bewegung brachte ihn aus dem Gleichgewicht, und er musste sich mit einer Hand auf dem Deck abstützen, um sich zu fangen.
»Miron Akim!«
»Ich habe gesagt, ich komme zurecht«, fauchte er.
»Großartig«, fauchte Jin zurück, die es plötzlich alles leid war.
Akim funkelte sie wütend an, während er die Schuhe unter Daulos Kopf schob. »Sie wären gut beraten, etwas mehr Respekt zu zeigen«, brummte er, zog sich zurück und setzte sich ihr gegenüber hin.
»Den hebe ich mir für Leute auf, die ihn verdient haben«, feuerte Jin zurück.
Eine Weile beäugten sich die beiden in schneidend kaltem Schweigen. Dann holte Jin tief Luft und seufzte. »Hören Sie … es tut mir leid, Miron Akim. Mir ist bewusst, dass meine Person Ihr Weltbild erschüttert, aber im Augenblick bin ich einfach zu müde, um zu versuchen, mich qasamanischen Gepflogenheiten unterzuordnen.«
Langsam schwand der Zorn aus Akims Gesicht. »Unsere Welten wären wohl auch ohne Razorarme miteinander verfeindet, was meinen Sie?«, fragte er leise. »Unsere Kulturen sind einfach zu unterschiedlich, als dass wir uns je verstehen
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