Cobra
drinnen?«
»Ja, ein halbes Dutzend Leute vielleicht – im zweiten Stock.«
Jonny drehte sich um und blinzelte ins Licht. Und tatsächlich, hinter einem halbgeöffneten Fenster im zweiten Stock konnte er zwei oder drei verängstigte Gesichter erkennen. Direkt unter ihnen hatte man das einzige Skyhooker-Löschfahrzeug von Cedar Lake bis auf zehn Meter an das Gebäude heranbugsiert und war dabei, dessen Leiter auszufahren. Jonny drehte sich wieder zur Absperrlinie um …
Die Explosion war ohrenbetäubend, und der Nanocomputer reagierte, indem er den Ex-Cobra flach auf den Boden warf. Jonny drehte sich zum Gebäude um und sah, dass ein großes Mauerstück ein Dutzend Meter von den arbeitenden Feuerwehrleuten entfernt von der Explosion herausgebrochen worden war. An seiner Stelle befand sich jetzt eine undurchdringliche, blaudurchsetzte gelbe Feuerwand. Zum Glück schien keiner der Feuerwehrleute verletzt worden zu sein.
»Verdammt«, fluchte einer der Polizisten, als Jonny sich wieder aufrappelte. »Sehen Sie sich das an.«
Offenbar hatte ein Bruchstück der Mauer die Leiter des Skyhookers getroffen, wodurch sich die gesamte Konstruktion ein Stück zur Seite neigte. Noch während die Feuerwehrleute sie hastig einholten, brach die Stütze, und die Leiter stürzte zu Boden.
»Verflucht!«, murmelte Stillman. »Haben Sie noch eine andere Leiter, die lang genug ist?«
»Nicht, wenn sie so weit von der Mauer stehen muss«, presste der Polizist hervor. »Wahrscheinlich reichen auch die Fahrzeuge der Stadtwerke nicht so hoch hinauf.«
»Vielleicht können wir ein Luftkissenflugzeug aus Horizon City bekommen«, rief Stillman mit einem ersten Anflug von Verzweiflung in der Stimme.
»So viel Zeit haben die da nicht.« Jonny zeigte auf die Fenster im zweiten Stock. »Das Feuer hat den ersten Stock fast erreicht. Da muss sofort etwas geschehen.«
Die Feuerwehrleute waren offenbar zu dem gleichen Schluss gekommen und zerrten eine ihrer anderen Leitern aus der Halterung am Skyhooker. »Sieht aus, als wollten sie versuchen, in den ersten Stock hinaufzukommen, um sich drinnen bis in den zweiten hochzuarbeiten«, murmelte der Polizist.
»Glatter Selbstmord.« Stillman schüttelte den Kopf. »Kann man denn nirgendwo Luftkissen nah genug anbringen und die Leute springen lassen?«
Die Antwort darauf war offensichtlich, und niemand machte sich die Mühe, sie auszusprechen: Wäre das möglich gewesen,
hätten die Feuerwehrleute es längst getan. Doch die Flammen schlugen eindeutig zu weit aus dem Gebäude heraus.
»Gibt es hier ein starkes Seil?«, fragte Jonny plötzlich. »Ich bin sicher, dass ich ihnen ein Ende zuwerfen kann.«
»Aber dann rutschen sie mitten in die Flammen«, gab Stillman zu bedenken.
»Nicht, wenn man das untere Ende fünfzehn oder zwanzig Meter entfernt verankert, zum Beispiel an einem der Löschfahrzeuge. Kommen Sie, sprechen wir mit einem der Feuerwehrmänner.«
Sie fanden den Brandmeister in der Gruppe, die versuchte, die neue Leiter aufzurichten. »Eine gute Idee, aber ich bezweifle, ob es allen Männern dort oben gelingen wird, an einem Seil bis nach unten zu kommen«, meinte er stirnrunzelnd, nachdem Jonny ihm den Plan erklärt hatte. »Bei dem Rauch und der Hitze stehen einige wahrscheinlich kurz vor dem Zusammenbruch.«
»Haben Sie so etwas wie eine Hosenboje?«, fragte Jonny. »Eine Schlaufe mit einem Flaschenzug, der an einem Seil entlangläuft.«
Der Brandmeister schüttelte den Kopf. »Hören Sie, ich kann nicht noch mehr Zeit vergeuden. Unsere Leute müssen sofort in das Gebäude.«
»Sie können dort doch keine Leute reinschicken«, wandte Stillman ein. »Mittlerweile steht bestimmt der gesamte erste Stock in Flammen.«
»Deswegen müssen wir uns auch beeilen, verdammt nochmal!«
Jonny focht einen kurzen Kampf mit sich selbst. »Es gibt noch einen Weg. Ich kann von außen ein Seil nach oben bringen.«
»Was? Wie denn?«
»Das werden Sie sehen. Ich brauche mindestens dreißig Meter Seil, Schutzhandschuhe und etwa zehn Streifen starken Tuches. Sofort! «
Den einmal gelernten Kommandoton vergaß man nicht so leicht. Es war auch nicht leicht, sich ihm zu widersetzen, und
ungefähr eine Minute später stand Jonny unterhalb seines Zielfensters im zweiten Stock – so nahe am Gebäude, wie es das Feuer zuließ. Das fest um seine Hüfte geschlungene Seil schleifte hinter ihm her und wurde gerade eben straff genug gehalten, damit es gleichfalls nicht mit den Flammen in Berührung kam.
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