Cocktail fuer einen Vampir
Er kann also beim besten Willen selbst überhaupt nicht mehr wissen, was an jenem Abend geschehen ist.«
»Das hast du Eric nicht erzählt, oder?«
Bill zuckte die Achseln. »Ich brauchte seine Erlaubnis nicht. Und jetzt ist es sowieso egal. Felipe wird Colton nicht mehr lange in seiner Gewalt haben.« Er schwenkte die Tüte, die er mitgebracht hatte.
»Warum nicht?«
»Weil wir beide Colton aus Felipes Hand wieder entführen werden.«
»Und was wollen wir dann mit ihm machen?« Colton war ein ziemlich netter Kerl, der nicht gerade ein leichtes Leben gehabt hatte. Ich wollte ihn nicht vor Felipe retten, nur um dann herauszufinden, dass Bill vorhatte, den Zeugen Colton auf eine sehr endgültige Weise zu beseitigen.
»Ich habe das alles geplant. Aber wir müssen schnell handeln. Ich habe Harp Powell eine SMS geschrieben undden Termin mit ihm verschoben. Ich finde das hier wichtiger, als ihm Fragen zu Kym Rowes Eltern zu stellen.«
Da musste ich ihm recht geben.
»Mal angenommen, wir können Colton befreien«, sagte ich, als wir auf Bills Auto zueilten. »Was ist mit Immanuel? Können sie ihn in Los Angeles aufspüren?« Immanuel, der Friseur, war ebenfalls ein Mensch und an jenem Abend auch da gewesen, weil Victors Grausamkeit den Tod seiner Schwester herbeigeführt hatte.
»Er arbeitet auf dem Set einer Fernsehserie, in der es komischerweise um Vampire geht und die vor allem nachts gedreht wird. Zwei Mitglieder der Crew sind sogar Vampire. Ich habe Immanuel dem Schutz von einem unterstellt. Er hat also eine Art Bodyguard.«
»Wie hast du das denn arrangiert?«
»Reiner Zufall. So was gibt’s«, sagte Bill. »Und du warst der dritte Mensch an jenem Abend, aber dich können Vampire nicht in ihren Bann ziehen. Wir müssen also einfach nur Colton befreien und Warren finden …«
»Warren hat an dem Abend, als wir Victor getötet haben, das Fangtasia gar nicht betreten«, erwiderte ich, »deshalb glaube ich nicht, dass seine Entführung etwas mit Victors Tod zu tun hat. Ich glaube, Warren wurde nur einkassiert, um Mustapha dazu zu zwingen, Kym Rowe durch Erics Hintertür reinzulassen.« Mir gingen im Moment so viele Lichter auf, dass ich damit problemlos einen Operationssaal hätte beleuchten können. »Was glaubst du?«
»Ich glaube, dass wir eine Menge offener Fragen haben«, meinte Bill. »Machen wir uns also daran, ein paar Antworten zu finden.«
Unser erster Halt war mein Haus, wo ich Jannalynns Jacke ließ und in die Tüte hineinsah, die Bill dabeihatte.
»Großer Gott!«, rief ich empört. » Das soll ich anziehen?«
»Alles Teil des Plans«, sagte Bill, musste aber lächeln.
Also stapfte ich in mein Schlafzimmer und zog den blauen »sexy« Rock an, der unterhalb meines Bauchnabels begann und ungefähr fünf Zentimeter unter meiner Liebesmuschel endete. Die »Bluse« – es war nur dem Namen nach eine Bluse –, weiß und mit roten Paspeln gesäumt, saß im Wesentlichen quer über meinem Busen. Eigentlich war ’s bloß so eine Art Bustier mit Ärmeln dran. Dazu zog ich weiße Nikes mit roten Rändern an, die passten von allen Schuhen in meinem Schrank noch am besten dazu. Und weil dieses Outfit wirklich nicht eine einzige Tasche hergab, steckte ich das Cluviel Dor in die Handtasche. Mein Handy stellte ich auf Vibrationsalarm; wenn ich schon an einer geheimen Mission teilnahm, sollte es wenigstens nicht im ungünstigsten Moment klingeln. Ich sah in den Badezimmerspiegel. Nie war ich so bereit gewesen wie heute.
Ich war verdammt befangen, als ich in diesem superknappen Outfit ins Wohnzimmer trat.
»Du siehst haargenau richtig aus«, meinte Bill nüchtern, und ich merkte, wie seine Mundwinkel zuckten. Da musste ich selbst lachen.
»Hoffentlich kommt Sam nie auf die Idee, dass wir uns so auch im Merlotte’s kleiden könnten«, sagte ich.
»Ihr hättet jeden Abend ein volles Haus«, erwiderte Bill.
»Erst, wenn ich etwas abspecke.« Mein Blick in den Spiegel hatte mich daran erinnert, dass mein Bauch auch schon mal flacher gewesen war.
»Bei deinem Anblick läuft einem das Wasser im Munde zusammen«, sagte Bill, und wie um es zu beweisen, traten seine Fangzähne hervor. Taktvoll schloss er den Mund.
»Na denn.« Ich versuchte, das als eine Art unpersönliche Anerkennung aufzufassen, obwohl es natürlich keiner Frau missfällt zu wissen, dass sie gut aussieht; jedenfalls solange diese Bewunderung nicht allzu aufdringlich geäußert wird und nicht von einer abstoßenden Quelle kommt. »Wir
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