Cocktail fuer einen Vampir
offene Gelände des alten Friedhofs noch nicht ganz erreicht, als ich links von mir ein Geräusch vernahm. Ich blieb stehen. »Bill?«, sagte ich.
»Sookie«, erwiderte er, und dann stand er auch schon direkt vor mir. Er hielt eine eigene kleine Plastiktüte in der linken Hand. Anscheinend trugen wir heute Abend alle Tüten durch die Gegend.
»Ich habe eine Jacke von Jannalynn dabei«, sagte ich. »Für dich und Heidi.«
»Hast du sie gestohlen?« Er klang amüsiert.
»Wenn ich heute nichts Schlimmeres getan hätte als das, wäre ich eine glückliche Frau.«
Bill ließ das einfach so stehen, auch wenn ich beinahe körperlich spüren konnte, wie er mich musterte. Vampire können natürlich auch im Dunkeln hervorragend sehen. Er nahm mich beim Arm, und wir gingen ein paar Meter, bis wir den Friedhof erreicht hatten. Obwohl es dort nicht viele Lampen gab, konnte ich (undeutlich) erkennen, dass Bill wegen irgendetwas sehr aufgeregt war.
Er öffnete meine Tüte, steckte die Nase hinein und atmete ein. »Nein, das ist nicht der Geruch, den ich an dem Tor hinten im Garten wahrgenommen habe. Wenn man allerdings bedenkt, wie viele Gerüche dort herumwabern und wie viel Zeit vergangen ist, bis wir unsere Ermittlungen aufnehmen konnten, kann das natürlich kein endgültiges Nein sein.« Er gab mir die Tüte zurück.
Ich war fast enttäuscht. Jannalynn nervte mich derart, dass ich sie nur allzu gern als die Schuldige entlarvt hätte. Doch ich ermahnte mich, nicht so herzlos zu sein. Ich sollte mich viel lieber freuen, dass Sam mit einer unschuldigen Frau zusammen war. Und das tat ich auch. Stimmt’s?
»Du siehst unglücklich aus«, sagte Bill. Wir waren auf dem Weg zu seinem Haus, und die Plastiktüte hatte ich mir unter den Arm geklemmt. Ich war schon dabei, zu überlegen, wie ich Jannalynns Jacke wieder in Sams Büro hängen könnte. Das würde ich bald tun müssen.
»Ich bin unglücklich«, erwiderte ich. Weil ich aber keine Lust hatte, meine innersten Zweifel auszubreiten, sagte ich zu Bill: »Ich habe heute beim Kartoffelschälen imRadio die Nachrichten gehört. Die Polizei versucht, den Mord an dieser Kym Rowe Eric anzuhängen, nur weil er ein Vampir ist und sie in seinem Vorgarten starb. Und irgendein Vandale hat die Fassade des Fangtasia mit einem Eimer weißer Farbe bespritzt. Sind Felipe und seine Leute immer noch hier? Warum fahren die nicht wieder nach Hause?«
Bill legte mir einen Arm um die Schulter. »Beruhige dich«, sagte er, und seine Stimme klang hart.
Ich war so überrascht, dass ich tatsächlich einen Moment lang die Luft anhielt.
»Atme«, befahl er mir. »Langsam. Und ganz bewusst.«
»Wer bist du? Zenmeister Fangzahn?«
»Sookie.« Wenn er diesen Ton anschlug, meinte er es ganz ernst. Also holte ich einmal tief Luft und atmete aus. Und noch einmal. Und noch einmal.
»Okay, ich fühl mich schon besser«, sagte ich.
»Hör zu«, begann Bill, und ich sah ihn an. Jetzt wirkte er wieder aufgeregt. Und in der linken Hand schwang seine Plastiktüte. »Wir haben alle die Augen offen gehalten, um Colton aufzuspüren … oder seine Leiche. Und heute in den frühen Morgenstunden hat Palomino von ihrem Job im Trifecta aus angerufen. Sie hat Colton gesehen. Felipe hat ihn. Und wir haben einen Plan geschmiedet, um ihn da herauszuholen. Etwas zusammengeschustert, aber es sollte funktionieren. Wenn uns das gelingt, kriegen wir vielleicht auch heraus, wo sie Warren festhalten. Und wenn wir Warren finden und verbreiten, wo er sich aufhält, wird Mustapha auftauchen und uns sagen, was er weiß. Und wenn Mustapha uns gesagt hat, wer ihn durch die Geiselnahme von Warren in der Hand hatte, dann werden wir wissen, wer Kym Rowe ermordet hat. Und sobaldwir der Polizei das berichtet haben, ist Eric außer Gefahr. Dann können wir das Problem lösen, das uns dieser Mistkerl Appius mit der posthumen Verlobung von Eric mit Freyda hinterlassen hat. Felipe und sein ›Trupp‹ werden wieder nach Nevada zurückkehren. Und Eric wird immer noch Sheriff sein oder einen neuen Titel haben, denn Felipe wird ihn weder feuern noch töten.«
»Das sind höllisch viele Dominosteine, Bill. Von Colton zu Warren zu Mustapha zu Kym Rowes Mörder zur Polizei zu Appius zu Freyda zu Eric. Und ist es nicht sowieso längst zu spät? Wir sind verloren. Colton hat ihm wahrscheinlich schon alles erzählt.«
»Das ist völlig ausgeschlossen. Colton hat so sehr um Audrina getrauert, dass ich seine Erinnerung an ihren Tod ausgelöscht habe.
Weitere Kostenlose Bücher