Cocktail fuer einen Vampir
lassen.
»Bill, ich kann ziemlich gut auf mich selbst aufpassen«, versicherte ich ihm. »Wünsch mir einfach Glück, okay?«
»Sookie …«
»Ich muss reingehen.«
»Dann wünsche ich dir Glück.« Seine Stimme klang hölzern, aber sein Blick war weich.
Ich hatte die Wahl. Ich könnte ganz formell zur vorderen Tür gehen; ein Weg aus Steinplatten führte von der Auffahrt ab und schlängelte sich durch den Vorgarten zu der massiven Haustür. Dieser Weg war gesäumt von hübschen Kräuselmyrten, die jetzt in voller Blüte standen. Die andere Möglichkeit war, die Auffahrt hinaufzugehen, in die Garage hinein und dann das Haus durch die Küche zu betreten. Dafür entschied ich mich. Schließlich war ich hier mehr zu Hause als irgendeiner der Besucher aus Nevada. Forschen Schrittes lief ich die Auffahrt entlang, und das Klack-Klack meiner Absätze hallte durch die stille Nacht.
Die Tür zur Küche war nicht abgeschlossen, was ziemlich ungewöhnlich war. Ich sah mich in dem großen, nutzlosen Raum um. Irgendwer sollte diese Tür doch sicher bewachen, wenn Gäste im Haus waren.
Und dann fiel mir schließlich auf, dass Mustapha Khan an den französischen Fenstern am anderen Ende der Küche stand, hinter dem Frühstückstisch, an dem nie jemand frühstückte, und in die Nacht hinausstarrte. Trotz der späten Stunde trug Mustapha seine dunkle Sonnenbrille.
Ich sah mich nach einem weiteren Schemen um, doch es war kein Warren zu entdecken.
Zum ersten Mal wünschte ich mir, Mustaphas Gedanken lesen zu können – aber seine Gedanken waren so undurchdringlich wie die aller Werwölfe, die ich je getroffen hatte.
Ich bekam eine Gänsehaut, doch ich wusste nicht, warum.
»Wie läuft’s denn da drinnen?«, fragte ich und sprach besonders leise.
Es dauerte einen Moment, bis er mit ebenso gedämpfter Stimme antwortete. »Ich hätt mir vielleicht doch besser ’nen Job bei den verdammten Kobolden gesucht. Odermich dem Rudel angeschlossen und mich von Alcide herumkommandieren lassen. Wär alles besser gewesen als das hier. An Ihrer Stelle würde ich meinen Arsch wieder ins Auto verfrachten und nach Hause fahren. Wenn Eric mich nicht so gut bezahlen würde, tät ich’s garantiert.«
Das begann, mehr und mehr nach dem Anfang eines Märchens zu klingen:
ERSTER MANN : Geh nicht über die Brücke, es ist gefährlich.
HELDIN : Aber ich muss über die Brücke
gehen.
ZWEITER MANN : Wenn dir dein Leben lieb ist, geh nicht über die Brücke!
HELDIN : Aber ich muss über die Brücke gehen.
In einem Märchen würde es noch eine dritte Begegnung geben; es sind immer drei. Und vielleicht würde ja auch ich noch eine weitere haben. Egal, ich hatte begriffen.
Angst rieselte mir wie Schweiß den Rücken hinunter. Ich wollte doch eigentlich gar nicht über diese Brücke gehen. Vielleicht sollte ich mich jetzt sofort auf den Weg die Straße entlang machen?
Aber da betrat Pam die Küche, und meine Gelegenheit war verstrichen. »Da bist du ja endlich, Gott sei Dank«, sagte sie. Ihr leicht britischer Akzent schien deutlicher durch als sonst. »Ich hatte schon gefürchtet, du kommst nicht. Felipe hat bereits bemerkt, dass du noch nicht erschienen bist.«
»Aber ihr habt die Uhrzeit doch verschoben«, erwiderte ich verwirrt. »Mustapha hat mir gesagt, ich soll …« Ich sah auf die Uhr auf der Mikrowelle. »… genau jetzt hier sein.«
Pam schüttelte den Kopf und warf dann Mustapha einenBlick zu, der eher verwirrt wirkte als verärgert. »Wir reden später miteinander«, sagte sie zu ihm. Mit einer ungeduldigen Geste bedeutete sie mir, ihr zu folgen.
Ich verstaute erst noch rasch meine Handtasche in einem der Küchenschränke, einfach weil die Küche der sicherste Stauraum ist in einem Vampirhaus. Und ehe ich Pam dann in den großen offenen Wohn-/Esszimmer-Bereich folgte, setzte ich noch ein Lächeln auf. Unwillkürlich warf ich einen letzten Blick über die Schulter auf Mustapha. Doch alles, was ich erkennen konnte, waren die ausdruckslosen Gläser seiner Sonnenbrille.
Dann richtete ich die Augen auf das, was vor mir lag. Wenn man mit Vampiren zu tun hatte, sollte man besser immer wissen, was einen erwartete.
Über Erics Inneneinrichtung war mal eine Fotoreportage in der Wohnzeitschrift ›Louisiana Interior‹ erschienen, doch heute Abend hätte wohl nicht einmal der Fotograf den Raum wiedererkannt. Die gestreiften Vorhänge der Fenster waren fest zugezogen, es standen nirgends frische Blumen, und eine bunt gemischte Gruppe
Weitere Kostenlose Bücher