Cocktails fuer drei
eben geschehen war, zu begreifen. Eine Chance für sie, offen zu sprechen, ohne sich verstellen zu müssen. Nach wenigen Minuten war jedoch eine Hebamme gekommen und hatte Giles sanft erklärt, die Besucher müssten die Entbindungsstation leider verlassen, und er könne ja am Morgen wiederkommen. Als er seine Sachen einsammelte, hatte Maggie gemerkt, wie ihr Herz in Panik raste. Statt ihm ihre Angst zu zeigen, hatte sie ihn jedoch nur freundlich angelächelt, als er ihr zum Abschied einen Kuss gab, und hatte sogar einen Scherz über die vielen anderen Frauen gemacht, die ihn zu Hause erwarteten. Jetzt lächelte sie wieder.
»Du kommst spät.«
»Hast du gut geschlafen?« Giles setzte sich aufs Bett und strich Maggie übers Haar. »Du siehst so entspannt aus. Ich habe allen erzählt, wie toll du warst. Alle lassen dir Grüße bestellen.«
»Alle?«
»Alle, die mir einfielen.« Er warf einen Blick in die Wiege. »Wie geht es ihr?«
»Oh, gut«, sagte Maggie leichthin. »Sie hat sich kaum gerührt, seit du gegangen bist.«
»Hübsche Blumen«, sagte Giles und betrachtete die Lilien. »Von wem sind sie?«
»Ich hab noch gar nicht nachgesehen!«, sagte Maggie. Sie riss den kleinen Umschlag auf, und zwei geprägte Karten fielen heraus. »Roxanne«, lachte sie. »Sie schreibt, sie will Lucia ihren ersten Cocktail mixen.«
»Typisch Roxanne«, sagte Giles.
»Ja.« Als Maggie die beiden Karten betrachtete, schien es ihr, als hörte sie Roxannes heisere Stimme in ihrem Kopf, und entsetzt merkte sie, dass in ihren Augen schon wieder verräterische Tränen brannten. Sie zwinkerte ein paarmal und legte die Karten auf den Nachttisch.
»Da bin ich wieder!«, hörte sie Paddys Stimme. Sie trug ein Tablett mit Tassen herein, im Schlepptau eine Hebamme, die Maggie nicht kannte. Paddy stellte das Tablett ab und strahlte Maggie an. »Ich dachte mir, nach dem Tee könntest du Lucia vielleicht das erste Mal baden.«
»Oh«, sagte Maggie erschrocken. »Ja … natürlich.«
Sie nahm einen Schluck Tee und versuchte, Paddy anzulächeln, doch sie war knallrot vor Verlegenheit. Es war ihr gar nicht in den Sinn gekommen, dass Lucia gebadet werden musste. Was war nur los mit ihr?
»Hat sie denn schon etwas bekommen?«, fragte die Hebamme.
»Seit heute Mittag nicht mehr.«
»Gut«, sagte die Hebamme fröhlich. »Na, vielleicht sollten Sie die Kleine jetzt stillen. Wir wollen sie nicht zu lange warten lassen. Sie ist ja noch so klein.«
Und wieder plagte Maggie das schlechte Gewissen, und ihr Gesicht wurde immer röter.
»Natürlich«, sagte sie. »Das … das mache ich jetzt sofort.«
Unter den aufmerksamen Blicken der Umstehenden griff sie in die Wiege, nahm Lucia und wickelte sie aus.
»Gib sie mir mal«, sagte Giles plötzlich. »Ich möchte sie mir ansehen.« Er hob Lucia hoch und legte sie bequem in seine Armbeuge. Unvermittelt gab die Kleine ein mächtiges Gähnen von sich und schlug ihre winzigen, verknitterten Augen auf. Sie starrte ihren Vater an, der kleine rosa Mund weit offen, wie eine Blume.
»Ist das nicht ein herziger Anblick?«, sagte Paddy leise.
»Darf ich mal sehen?«, fragte die Hebamme.
»Natürlich«, sagte Giles. »Ist sie nicht einfach perfekt?«
»Und so eine gesunde Hautfarbe!«, sagte Paddy.
»Das überlege ich gerade …«, sagte die Hebamme. Sie legte Lucia aufs Bett und knöpfte eilig ihren Schlafanzug auf. Sie sah sich Lucias Brust an, dann blickte sie zu Maggie auf. »Hatte sie diese Farbe schon von Anfang an?«
»Ja«, sagte Maggie erschrocken. »Ich … ich glaube wohl.«
»Sie lag wohl in der Sonne«, sagte Giles und lachte unsicher.
»Ich glaube nicht«, sagte die Hebamme und legte ihre Stirn in Falten. »Das hätte eigentlich jemand merken müssen. Ich glaube, sie hat Gelbsucht.«
Dieses unheimliche Wort hing in der Luft wie eine Drohung. Maggie starrte die Hebamme an und spürte, wie ihre Wangen blass wurden, wie ihr Herz laut pochte. Man hatte sie belogen. Alle hatten sie belogen. Das Baby war überhaupt nicht gesund.
»Ist es sehr ernst?«, presste sie hervor.
»Nein, nein! Das geht nach ein paar Tagen weg.« Die Frau sah Maggies Gesicht und brach in schallendes Gelächter aus. »Keine Sorge, meine Liebe. Sie wird es überleben.«
Ralph Allsopp saß auf einer Bank draußen vor dem Charing Cross Hospital und beobachtete einen Mann mit gebrochenem Bein, der sich unter Schmerzen auf Krücken an ihm vorüberschleppte. Zwei Krankenschwestern begrüßten sich plappernd. Auf seinem
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