Cocktails fuer drei
unsicher, marschierte jedoch weiter zwischen den schwangeren Müttern hindurch, die Kinderwagen begutachteten. Eine Reihe bestickter Kleidchen fiel ihr ins Auge, und sie sah sich den Ständer näher an.
»Da bist du ja!« Heathers Stimme unterbrach sie, und sie blickte auf.
»Das ging ja schnell!«
»Ach, ich wusste ja, was ich wollte«, sagte Heather etwas verlegen. »Es ist … eigentlich ist es für dich.«
»Was?« Verdutzt nahm Candice die Papiertüte, die Heather ihr hinhielt. »Was soll das heißen, es ist für mich?«
»Ein Geschenk«, sagte Heather ernst. »Du warst so gut zu mir, Candice. Du hast … mein Leben verändert. Ohne dich wäre ich … na ja. Etwas völlig anderes.«
Candice blickte in ihre großen, grauen Augen, und plötzlich war ihr ganz betreten zumute. Wenn Heather doch nur Bescheid wüsste. Wenn sie doch nur wüsste, warum Candice in Wahrheit so großzügig war. Wenn sie doch nur eine Ahnung davon hätte, dass ihre Freundschaft auf Schuldgefühlen und Unaufrichtigkeit aufgebaut war. Würde sie dann immer noch so dastehen und Candice mit derart offenen, freundlichen Augen ansehen?
Plötzlich wurde Candice vor schlechtem Gewissen richtig übel. Sie riss die Tüte auf und holte einen silbernen Füllfederhalter hervor.
»Es ist nichts Großes«, sagte Heather. »Ich dachte nur, er könnte dir gefallen. Wenn du deine Interviews zu Papier bringst.«
»Der ist hübsch«, sagte Candice und merkte, wie ihr die Tränen kamen. »Heather, das wäre doch nicht nötig gewesen.«
»Das ist das Mindeste, was ich tun kann«, sagte Heather. Sie nahm Candices Arm und drückte ihn. »Ich bin so froh, dass wir uns wieder getroffen haben. Da ist etwas wirklich … Besonderes zwischen uns. Findest du nicht? Es fühlt sich an, als wärst du meine beste Freundin.« Candice sah sie an, dann beugte sie sich spontan vor und umarmte sie. »Ich weiß, dass deine anderen Freundinnen mich nicht mögen«, hörte sie Heather an ihrem Ohr. »Aber … weißt du, das macht nichts.«
Candice richtete sich auf und sah Heather überrascht an.
»Was meinst du damit: Meine anderen Freundinnen mögen dich nicht?«
»Roxanne mag mich nicht.« Heather lächelte schief. »Mach dir keine Gedanken. Es ist nicht schlimm.«
»Aber das ist schrecklich!«, rief Candice verzweifelt. »Wieso glaubst du, dass sie dich nicht mag?«
»Vielleicht habe ich es auch falsch verstanden«, sagte Heather gleich. »Sie hat mich nur so angesehen … Ehrlich, Candice, mach dir keine Sorgen. Ich hätte lieber gar nichts sagen sollen.« Sie lächelte kurz. »Komm, such dir eins von den Kleidchen aus, dann gehen wir uns ein paar richtige Kleider ansehen.«
»Okay«, sagte Candice. Doch als sie sich wieder den Babysachen zuwandte, lag ihre Stirn in Falten.
»Ach, jetzt habe ich ein ganz schlechtes Gewissen!«, sagte Heather. »Bitte, Candice, vergiss, was ich eben gesagt habe.« Mit dem Daumen fuhr sie über die Falte an Candice’ Stirn. »Vergiss Roxanne, okay? Bestimmt bin ich nur empfindlich. Bestimmt habe ich was falsch verstanden.«
Selig lag Roxanne im T-Shirt auf dem Sofa und lauschte leiser, jazziger Musik und den Geräuschen, die Ralph beim Kochen in der Küche machte. Er kümmerte sich immer um das Abendessen – zum Teil, weil er behauptete, Spaß daran zu haben, aber auch, weil sie vom Kochen keine Ahnung hatte. Einige der glücklichsten Momente ihres Lebens hatten mit Mahlzeiten zu tun, die er gekocht hatte – nach dem Sex. Das waren die Momente, die sie am meisten genoss. Die Momente, in denen man fast glauben konnte, dass sie zusammenlebten, dass sie ein normales Paar waren.
Natürlich waren sie kein normales Paar. Sie würden es vielleicht niemals sein. Automatisch – und eher leidenschaftslos – schweiften Roxannes Gedanken zu Ralphs jüngstem Sohn Sebastian. Dem süßen kleinen Sebastian, dem Nachzügler. Dem Segen. Dem Ausrutscher – wenn man es recht bedachte. Und immer noch ein Kind, immer noch erst zehn Jahre alt. Zehn Jahre, fünf Monate und eine Woche.
Roxanne wusste auf die Minute genau, wie alt Sebastian Allsopp war. Sein älterer Bruder und die Schwester waren schon über zwanzig und hatten ihr eigenes Leben. Aber Sebastian wohnte noch zu Hause, ging zur Schule, putzte sich die Zähne und hatte einen Teddybären. Sebastian war zu jung für das Chaos einer Scheidung. Er musste erst noch achtzehn werden, hatte Ralph einmal nach diversen Brandys gesagt. Achtzehn. Noch sieben Jahre, sechs Monate und drei Wochen.
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