Cocktails fuer drei
der Nase zu bekommen. Um sich von einem Patienten wieder in einen normalen Menschen zu verwandeln. Ein Taxi fuhr langsam die Straße entlang, und er lief hin, um es heranzuwinken.
Während sich das Taxi durch den dichten Abendverkehr schob, blickte er starr aus dem Fenster. Die Menschen drängten übellaunig aneinander vorbei, wenn sie über die Straße gingen, und er sah sie sich an, freute sich über ihre normalen Mienen im Gegensatz zu den abgeklärten Masken der Ärzte. Diese Normalität wollte er sich so lange wie möglich erhalten. Er wollte sich diese wunderbar lockere Gleichgültigkeit gegenüber dem Wunder der menschlichen Existenz erhalten. Die Menschen waren nicht dafür gemacht, über die Erde zu wandeln und sich unablässig dankbar ihrer körperlichen Gesundheit zu erfreuen. Sie waren dafür gemacht, zu ringen, zu lieben, zu kämpfen und zu streiten, zu viel zu trinken, zu viel zu essen und zu lange in der Sonne zu liegen.
An einer Ecke stieg er aus dem Taxi und ging langsam die Straße entlang zu dem Haus, in dem sie wohnte. Als er aufblickte, sah er, dass ihre Fenster allesamt hell erleuchtet waren. Der Anblick bereitete ihm fast Schmerzen. Seine ahnungslose Rapunzel in ihrem Turm ahnte nicht, was ihr die Zukunft bringen würde. Schmerzhaft bohrte sich ihm ein Pfeil ins Herz, und einen Moment lang war er wild entschlossen, es ihr zu sagen. Noch am selben Abend. Er wollte sie an sich drücken und mit ihr bis in die frühen Morgenstunden weinen.
Und doch würde er es nicht tun. Er wollte stark sein. Er holte tief Luft, lief schneller und stand schließlich vor ihrer Haustür. Er klingelte, und kurz darauf wurde der Summer gedrückt. Langsam stieg er die Treppe hinauf, und als er oben ankam, sah er sie in ihrer Tür stehen. Sie trug eine weiße Seidenbluse mit einem kurzen, schwarzen Rock, und das Licht in ihrem Rücken ließ ihre Haare leuchten. Einen Moment lang starrte er sie nur an.
»Roxanne«, sagte er schließlich. »Du bist so …«
»Schön«, sagte sie, und ihr Mund bog sich zu einem flüchtigen Lächeln. »Komm doch rein.«
Kapitel Acht
Die Geschenkboutique war klein und still und duftete hübsch, und obwohl sich wahre Menschenmassen durch das Einkaufszentrum schoben, war sie so gut wie leer. Candice spazierte herum, lauschte ihren eigenen Schritten auf dem Holzfußboden und sah sich zweifelnd bestickte Kissen und Becher mit der Aufschrift »It’s a Girl!« an. Vor einem Regal mit Stofftieren blieb sie stehen, nahm einen Teddybären und lächelte ihn an. Dann stellte sie ihn auf den Kopf, um nachzusehen, was er kosten sollte, doch als sie das Preisschild sah, wurde sie ganz blass.
»Wie viel?«, fragte Heather hinter ihr.
»Fünfzig Pfund«, sagte Candice leise und setzte den Bären eilig wieder ins Regal.
»Fünfzig?« Ungläubig starrte Heather den Teddy an, dann fing sie an zu lachen. »Das ist absurd! Der hat noch nicht mal ein hübsches Gesicht. Komm, wir gehen woandershin.«
Als sie den Laden verließen, hakte sich Heather wie selbstverständlich bei Candice unter, und Candice merkte, dass ihr vor Freude ganz warm wurde. Sie konnte kaum glauben, dass Heather erst vor einer Woche bei ihr eingezogen war. Schon jetzt fühlten sie sich wie alte Freundinnen, wie verwandte Seelen. Jeden Abend bestand Heather darauf, etwas Ordentliches zu kochen und eine Flasche Wein zu köpfen. Jeden Abend hatte sie etwas anderes geplant. Einmal hatte sie Candice das Gesicht massiert, ein anderes Mal Videos und Popcorn mitgebracht. Am nächsten Tag hatte sie eine elektrische Saftpresse dabei und verkündete, sie wolle in der Küche eine Saftbar eröffnen. Am Ende hatten sie wunde Hände vom Orangenschälen und nicht mehr als ein Glas warmen, eher unappetitlichen Saft herausbekommen, aber sie kringelten sich vor Lachen. Selbst jetzt noch, als sie sich daran erinnerte, hätte Candice sich kringeln können.
»Was?«, fragte Heather und wandte sich ihr zu.
»Die Saftpresse.«
»Oh Gott«, sagte Heather. »Erinnere mich nicht daran.« Am Eingang eines großen Kaufhauses blieb sie stehen. »Hier, wie wäre es damit? Die haben bestimmt eine Babyabteilung.«
»Hey, das ist eine gute Idee«, sagte Candice.
»Ich verschwinde mal kurz«, sagte Heather. »Ich muss noch was besorgen. Wir sehen uns oben.«
»Okay«, sagte Candice und machte sich auf den Weg zum Fahrstuhl. Es war sieben Uhr abends, aber der Laden war so voll, als wäre es mitten am Tag. Als sie in die Babyabteilung kam, wurde sie etwas
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