Cocktails fuer drei
Candice. »Da kommt unser Essen.«
Roxanne nahm einen letzten Mundvoll Pasta, legte ihre Gabel weg und seufzte. Sie saß Ralph gegenüber an ihrem winzigen Klapptisch, das Licht war gedimmt, und Ella Fitzgerald schmachtete leise im Hintergrund.
»Das war verdammt lecker.« Roxanne rieb ihren Bauch. »Willst du deins nicht mehr essen?«
»Nimm ruhig.« Ralph deutete auf seinen halb vollen Teller, den Roxanne mit fragendem Blick zu sich herüberzog.
»Keinen Appetit?«, sagte sie. »Oder bist du immer noch verkatert?«
»Gut möglich«, sagte Ralph heiter.
»Na, ich werde jedenfalls nichts umkommen lassen«, sagte Roxanne und machte sich über die Nudeln her. »Weißt du, ich vermisse deine Kochkünste, wenn ich auf Reisen bin.«
»Wirklich?«, sagte Ralph. »Was ist mit deinen Fünf-Sterne-Köchen?«
Roxanne verzog das Gesicht. »Ist nicht dasselbe. Die können Nudeln nicht wie du.« Sie kippelte ihren Stuhl, bis er am Sofa lehnte, nahm einen Schluck Wein und schloss genießerisch die Augen. »Ehrlich gesagt finde ich es richtig selbstsüchtig von dir, dass du nicht jeden Abend herkommst und mir Nudeln kochst.« Sie nahm einen Schluck Wein, dann noch einen.
Dann, als das Schweigen anhielt, schlug sie die Augen auf. Ralph betrachtete sie wortlos, mit seltsamer Miene.
»Ich bin selbstsüchtig«, sagte er schließlich. »Du hast recht. Ich behandle dich furchtbar schlecht.«
»Nein, tust du nicht!«, sagte Roxanne und lachte. »Ich mach nur Witze.« Sie nahm die Flasche Wein, schenkte beiden nach und trank davon. »Netter Wein.«
»Netter Wein«, wiederholte Ralph und nahm einen Schluck.
Eine Weile schwiegen beide. Dann blickte Ralph auf und sagte wie beiläufig: »Wenn du dir aussuchen könntest, was du in einem Jahr machst. Egal was. Was wäre es?«
»In einem Jahr …«, wiederholte Roxanne und spürte, wie ihr Herz ein wenig schneller schlug. »Wieso in einem Jahr?«
»Oder in drei Jahren«, sagte Ralph und machte eine vage Geste mit seinem Glas. »In fünf Jahren. Wo siehst du dich?«
»Ist das hier ein Bewerbungsgespräch?«, fragte Roxanne munter.
»Es interessiert mich einfach«, sagte Ralph achselzuckend. »Ist nur so ein Gedankenspiel.«
»Na ja, ich … ich weiß nicht«, sagte Roxanne, nahm noch einen Schluck Wein und versuchte, die Ruhe zu bewahren.
Was war hier los? Eigentlich herrschte zwischen Ralph und ihr die stillschweigende Übereinkunft, dass sie die Zukunft ausklammern wollten und alles, was ärgern oder wehtun konnte. Sie sprachen über die Arbeit, über Filme, Essen und Reisen. Sie tratschten über Kollegen und spekulierten über Roxannes fragwürdigen Nachbarn unten im Haus. Sie sahen sich Fernseh-Soaps an und lachten gemeinsam über die hölzernen Schauspielkünste. Doch selbst wenn auf dem Bildschirm jemand einen Ehebruch beging, sprachen sie doch nie über ihre eigene Situation.
Am Anfang hatte sie unter Tränen von ihm gefordert, dass er ihr von seiner Frau und seiner Familie erzählte, alles bis ins letzte Detail. Und jedes Mal hatte sie vor Elend und Erniedrigung förmlich gebebt, wenn er ging, hatte ihm vergeblich Vorwürfe und Ultimaten an den Kopf geworfen. Inzwischen tat sie, als wäre jeder Abend, jede Nacht, die sie in seinen Armen verbrachte, eine Ausnahme, eine kleine Welt für sich. Es war der reine Selbstschutz. Auf diese Weise konnte die Enttäuschung sie nicht so leicht verletzen. Auf diese Weise konnte sie – zumindest vor sich selbst – so tun, als führte sie diese Beziehung nach ihren Bedingungen. Als hätte sie es von Anfang an so gewollt.
Sie blickte auf und merkte, dass Ralph noch immer auf eine Antwort wartete, und als sie seine Miene sah, wurde ihr ganz anders. Er starrte sie offen an, mit glänzenden Augen, als wäre ihm ihre Antwort wirklich wichtig. Sie nahm einen Schluck Wein, um Zeit zu schinden, dann strich sie ihr Haar zurück und zwang sich zu einem sorglosen Lächeln.
»In einem Jahr?«, sagte sie. »Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich irgendwo in der Karibik an einem weißen Strand liegen … mit dir natürlich.«
»Ich freue mich, das zu hören«, sagte Ralph und verknitterte sein Gesicht zu einem Lächeln.
»Aber nicht nur mit dir«, sagte Roxanne. »Eine Schar aufmerksamer Kellner in weißen Jacketts würde uns jeden Wunsch von den Lippen ablesen. Sie würden uns mit Speis und Trank und kleinen Bonmots amüsieren. Und dann würden sie sich wie von Zauberhand diskret verkrümeln, und wir säßen ganz allein im zauberhaften
Weitere Kostenlose Bücher