Cocktails fuer drei
schwersten Entscheidung seines Lebens.
Sie wusste, dass man diese Entscheidung nicht überstürzen durfte, dass es keine schnelle Lösung gab. Doch die Anspannung der ständigen Ungewissheit war unerträglich. Und sie litten beide darunter – Ralph sah in letzter Zeit müder und abgespannter aus als je zuvor. Neulich hatte sie ihn im Büro beobachtet und erschrocken festgestellt, dass er allen Ernstes schmaler wurde. Er ging durch die Hölle. Aber wenn er sich entscheiden und den entsprechenden Mut aufbringen könnte, wäre die Hölle ein für alle Mal vorbei.
Wieder einmal bäumte sich eine schmerzhafte Woge der Hoffnung in ihr auf, und sie drückte ihre Tasche fester an sich. Sie durfte sich nicht so gehen lassen. Sie musste wieder mehr Selbstdisziplin zeigen. Aber es fiel ihr schwer. Nach sechs kargen Jahren, in denen sie sich der Hoffnung verweigert hatte und nicht einmal daran denken wollte, verlor sie sich nun in Fantasien. Ralph würde seine Frau verlassen. Endlich könnten sie sich entspannen und aneinander freuen. Der lange, harte Winter wäre vorbei. Die Sonne würde wieder scheinen. Das Leben würde für sie beide neu beginnen. Sie würden zusammenziehen. Vielleicht würden sie sogar …
Da bremste sie sich. So weit durfte sie nicht gehen. Sie musste sich beherrschen. Schließlich hatte er gar nichts gesagt. Nichts davon stand fest. Aber dieses Gespräch hatte doch sicher etwas zu bedeuten gehabt. Er dachte doch bestimmt auch daran.
Und sie hatte es verdient, oder? Sie hatte es sich verdammt noch mal redlich verdient, nach allem, was sie hatte durchmachen müssen. Ein ungewohnter Groll ergriff sie, und sie zwang sich, ruhig durchzuatmen. Im Laufe der letzten paar Tage, in denen sie sich ihrer Fantasie hingegeben hatte, war ihr aufgefallen, dass hinter ihrer freudigen Hoffnung die dunkle Kehrseite der Medaille lauerte. Ein Groll, den sie zu viele Jahre unterdrückt hatte. Sechs Jahre des Wartens, der Ungewissheit und der kurzen Augenblicke des Glücks, an denen sie sich festhielt. Es ging schon zu lange so. Es war wie ein Gefängnis.
Die Fahrstuhltüren gingen auf, und Candice sah Roxanne an.
»Da wären wir«, sagte sie mit einem leisen Lächeln. »Endlich.«
»Ja«, sagte Roxanne und schnaubte. »Endlich.«
Sie traten aus dem Fahrstuhl und gingen auf eine Schwingtür zu, an der »Station Blau« stand. Candice sah Roxanne an, dann drückte sie die Tür vorsichtig auf. Der Raum war groß, aber mit geblümten Vorhängen in einzelne Kabinen aufgeteilt. Candice zog die Augenbrauen hoch, Roxanne zuckte nur mit den Schultern. Da kam eine Frau in dunkelblauer Uniform heran, mit einem Baby auf dem Arm.
»Wollen Sie jemanden besuchen?«, fragte sie lächelnd.
»Ja«, sagte Roxanne und starrte das Baby unwillkürlich an. »Maggie Phillips.«
»Aber sie heißt doch eigentlich Drakeford, oder?«, meinte Candice. »Maggie Drakeford.«
»Ach so!«, sagte die Frau freundlich. »In der Ecke.«
Roxanne und Candice sahen sich an, dann gingen sie einmal quer durch die Station. Vorsichtig schob Candice den letzten Vorhang zurück, und da lag sie. Maggie sah aus wie immer und dann doch nicht, saß im Bett mit einem kleinen Baby auf dem Arm. Sie blickte auf, und einen Moment lang schwiegen alle. Dann lächelte Maggie sie an, hielt ihnen das Baby hin und sagte: »Lucia, darf ich vorstellen: die Cocktail-Queens.«
Maggie hatte eine gute Nacht gehabt. Als sie sah, wie Roxanne und Candice sich zögernd dem Bett näherten, breitete sich wohlige Zufriedenheit in ihr aus. Nur etwas Schlaf, mehr brauchte sie nicht. Jede Nacht ein wenig Schlaf, und schon sah die Welt ganz anders aus.
Die ersten drei Nächte waren die Hölle gewesen. Das Grauen. Starr und steif hatte sie im Dunkeln gelegen und konnte sich nicht entspannen, geschweige denn ein Auge zutun vor lauter Angst, dass Lucia möglicherweise aufwachte. Selbst wenn sie nur kurz einnickte, schreckte sie bei jedem Schnaufen aus der Wiege wieder auf. Im Traum hörte sie Schreie und schoss panisch hoch, nur um festzustellen, dass Lucia friedlich schlummerte und irgendein anderes Baby schrie. Dann fürchtete sie, das andere Baby könnte Lucia wecken – und schon verspannte sie sich wieder und konnte nicht mehr einschlafen.
In der vierten Nacht, um zwei Uhr morgens, wollte Lucia einfach nicht schlafen. Sie hatte geschrien, wenn Maggie versuchte, sie in ihre Wiege zu legen, hatte um sich geschlagen, wenn Maggie versuchte, sie zu stillen, und angefangen zu brüllen, als
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