Cocktails fuer drei
In sieben Jahren wäre sie vierzig.
Um der Kinder willen . Es war eine Phrase, die ihr früher nichts bedeutet hatte. Inzwischen schien sie sich in ihre Seele eingebrannt zu haben. Um Sebastians willen. Er war vier Jahre alt gewesen, als sie damals an jenem Abend zum ersten Mal mit Ralph getanzt hatte. Ein kleiner Fratz im Pyjama, der friedlich in seinem Bettchen schlief, während sie seinem Vater tief in die Augen blickte und plötzlich merkte, dass sie mehr davon wollte. Dass sie von ihm mehr wollte. Damals war sie siebenundzwanzig gewesen. Ralph war sechsundvierzig. Die Welt schien ihnen offenzustehen.
Roxanne schloss die Augen, erinnerte sich. Es war der erste Abend einer prominent besetzten Gastproduktion von Romeo und Julia im Barbican gewesen. Ralph hatte zwei Tickets und kam in letzter Minute in die Redaktion des Londoner spaziert, auf der Suche nach jemandem, der mitkommen wollte. Als Roxanne Interesse anmeldete, war er leicht überrascht gewesen, hatte diesen Umstand jedoch taktvoll verborgen. Wie er später gestand, hatte er sie für glatt und materialistisch gehalten – intelligent und talentiert, aber ohne echten Tiefgang. Als er sich am Ende des Stückes zu ihr umwandte und sah, dass sie immer noch wie erstarrt dasaß, mit Tränen auf den Wangen, war er dann richtig überrascht und merkte unverhofft, dass er sie mochte. Und als sie sich dann die Haare aus der Stirn strich, die Augen wischte und sagte: »Verdammt, ich bin am Verdursten. Wie wär’s mit einem Cocktail?«, hatte er den Kopf in den Nacken geworfen und laut gelacht. Er hatte zwei Einladungen für die Premierenparty hervorgezaubert, die er eigentlich gar nicht hatte nutzen wollen, hatte seine Frau angerufen und ihr erklärt, es würde etwas später werden als gedacht.
Dann hatte sie mit ihm am Rande einer Party gestanden, auf der beide niemanden kannten, hatte Buck’s Fizz getrunken, über das Stück gesprochen und Mutmaßungen über die anderen Gäste angestellt. Dann spielte eine Jazz-Band auf, und die Tanzfläche füllte sich mit Pärchen. Nach kurzem Zögern hatte Ralph sie aufgefordert. Als sie seine Arme um sich spürte und in seine Augen blickte, hatte sie es gewusst. Sie hatte es einfach gewusst.
Ein vertrauter Stich, halb Schmerz, halb Freude, durchfuhr Roxanne bei der Erinnerung. Sie würde diesen Abend stets als einen der magischsten Momente ihres Lebens in Erinnerung behalten. Ralph war telefonieren gegangen, und sie hatte lieber gar nichts weiter davon wissen wollen. Dann war er wieder an den Tisch gekommen, bebend vor Aufregung. Er hatte sich ihr gegenüber hingesetzt, ihr tief in die Augen gesehen und ganz langsam gesagt: »Am liebsten würde ich irgendwohin gehen. In ein Hotel vielleicht. Möchtest du … mitkommen?« Ein paar Sekunden hatte Roxanne ihn schweigend angesehen und dann ihren Drink abgestellt.
Sie wollte cool bleiben, so lange wie möglich gepflegte Distanz wahren. Doch in dem Moment, als sie ins Taxi stiegen, hatte sich Ralph ihr zugewandt, und sie merkte, dass sie seinen Blick mit fast verzweifeltem Verlangen erwiderte. Als sich ihre Lippen berührten, hatte sie noch mit einem Anflug von Humor gedacht: Hey, ich küsse gerade meinen Chef. Doch dann war sein Kuss eindringlicher geworden, sie hatte die Augen geschlossen, und ihr Verstand hatte die Fähigkeit eingebüßt, zusammenhängende Gedanken zu denken. Diese Fähigkeit kehrte erst am Morgen wieder, als sie in einem Hotel in Park Lane aufwachte, neben einem Ehebrecher, der neunzehn Jahre älter war als sie.
»Ein Glas Wein?« Ralphs Stimme unterbrach sie, und als sie die Augen aufschlug, sah er liebevoll auf sie herab. »Ich könnte die Flasche aufmachen, die ich mitgebracht habe.«
»Nur wenn sie gut gekühlt ist«, hatte sie misstrauisch gesagt. »Warmen Wein lasse ich zurückgehen.«
»Er ist kalt«, sagte Ralph lächelnd. »Ich habe ihn gleich in den Kühlschrank gestellt, als ich herkam.«
»Hoffen wir das Beste«, sagte Roxanne. Sie setzte sich auf und umarmte ihre Knie, als er wieder in die Küche ging. Eine Minute später kam Ralph mit zwei Gläsern Wein zurück.
»Warum bist du heute eigentlich nicht im Büro?«, fragte Roxanne. Sie hob ihr Glas. »Cheers.«
»Cheers«, antwortete Ralph. Er nahm einen kräftigen Schluck, dann blickte er auf und sagte nur: »Ich habe den ganzen Morgen bis in die Mittagspause mit meinem Buchhalter zusammengesessen. Da lohnte es sich nicht mehr hinzufahren.«
»Aha«, sagte Roxanne. »Faulpelz.«
Ein
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