Cocktails und heiße Kuesse
gab sie sich geschlagen.
Owen warf das Kleid über die Lehne des neben ihm stehenden Stuhls. „In vierundzwanzig Stunden hast du es zurück.“
Gerade als er sich umwandte, glaubte sie, ihn triumphierend grinsen zu sehen. Unwillkürlich fragte sie sich, ob er sich nicht absichtlich mit der Nadel gestochen hatte. Schon öffnete sie den Mund, um zu protestieren, überlegte es sich dann aber anders. Sie liebte dieses Kleid, sie brauchte es dringend. Und sie konnte es sich nicht leisten, ein neues zu kaufen.
„Ich verhungere“, wechselte er das Thema. „Was hältst du von Pizza?“
Pizza bei einem Lieferdienst zu ordern war in Ordnung. Pizza war billig und schmeckte gut. Ihr Sinn für Unabhängigkeit erwachte. Sie konnte ihn sogar einladen.
„Gib mir eine Minute, um zu duschen und mich umzuziehen“, rief er ihr über die Schulter hinweg zu, während er ins Schlafzimmer eilte.
Als er zurückkam, war sie damit beschäftigt, alle Schränke und Schubladen in der Küche zu öffnen.
„Suchst du etwas?“
„Telefonbuch.“
Einen Moment starrte er sie fragend an. „Schon mal was vom Internet gehört? Wie auch immer, wir werden nichts bestellen, wir gehen aus.“
„Ach ja? Wohin?“
„In meine Lieblingspizzeria.“
Er führte sie in ein italienisches Restaurant nur wenige Meter von der Lagerhalle entfernt. Es war nicht ganz so preiswert, wie sie gehofft hatte. Bella wurde leicht nervös, als sie die Speisekarte las … und die Preise sah.
Owen schien ihre Gedanken zu lesen. „Ich zahle. Noch eine kleine Entschuldigung.“
An diesem Punkt sträubte sich alles in ihr. „Nein.“
„Wie bitte?“
„Nein, danke“, wiederholte sie deutlich. „Du hast schon viel zu viel für mich getan, Owen.“
Er erstarrte. Offensichtlich hörte er das Wort nicht allzu oft. Dem konnte sie abhelfen. „Du hast keine Geschwister, oder?“, fragte sie.
„Nein“, erwiderte er überrascht. „Woher weißt du das?“
„Du bist es gewohnt, deinen Kopf durchzusetzen.“
„Meinst du?“ Er erhob sich. „Gehen wir. Dann nehmen wir eben deinen kostbaren Lieferdienst in Anspruch.“
„Okay. Und ich zahle.“ Sie hatte sich behauptet. Weiter so!
„Schön.“ Ein feines Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
Auf der Dachterrasse war es ebenso warm wie gestern … und die Atmosphäre genauso verführerisch. Bella wurde bald klar, dass sie in der überteuerten Pizzeria sicherer gewesen wäre. Verzweifelt versuchte sie es mit Small Talk. Irgendwie musste sie sich schließlich davon ablenken, wie atemberaubend gut Owen aussah und welch erotischen Gefühle er in ihr weckte. „Wo leben deine Eltern?“
„Mum in Auckland, Dad in Australien.“
Also geschieden. Warum überraschte sie das nicht? „Wie alt warst du, als sie sich getrennt haben?“
Belustigt schaute er sie an. „Neunzehn.“
„Wirklich?“
„Dreiundzwanzig Jahre Ehe einfach so dahin.“
„Hatte einer von ihnen eine Affäre?“
„Nein“, entgegnete er. Seines Wissens nicht. Aber das war ja der Punkt, oder nicht? Er wusste es nicht. „Sie haben sich auseinandergelebt.“
Bella runzelte die Stirn. „Wie muss ich das verstehen? Sie sind eines Morgens aufgewacht und haben beschlossen, sich zu trennen?“
Anfangs war es ihm genauso vorgekommen. Doch wenn er nicht so sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen wäre, hätte er nicht etwas mitbekommen müssen? Diese Erkenntnis nagte immer noch an ihm. Wie hatte ihm entgegen können, dass das Leben seiner Eltern so aus den Fugen geraten war?
„Sie waren schon seit geraumer Zeit unglücklich. Aber sie haben beschlossen zusammenzubleiben, bis ich mit der Schule fertig war. Sie wollten mich beschützen.“
Ein Teil von ihm empfand immer noch Zorn, weil seine Eltern ihm nicht früher die Wahrheit gesagt hatten, ein anderer Teil respektierte ihre Art, ihm ihre Liebe zu zeigen. Der weitaus größte Teil jedoch bestand aus Wut auf sich selbst, weil er so blind gewesen war.
Bella hatte aufgehört zu essen und schaute ihn mit so ausdrucksstarken Augen an, dass es ihm einen Stich versetzte, in die schimmernden Tiefen zu blicken. Also starrte er auf die Pizzaschachtel zwischen ihnen und erzählte weiter.
„Ich glaube, sie langweilten sich miteinander. Ihre Interessen waren zu verschieden.“ Für immer zusammen, das gab es in der Realität einfach nicht – für niemanden. Wenn seine Eltern es schon nicht schafften, wer dann? „Sie führten keinen erbitterten Streit oder dergleichen. Ich denke nicht, dass ich
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