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Coco Chanel & Igor Strawinsky

Titel: Coco Chanel & Igor Strawinsky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Greenhalgh
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Zustände zu beklagen, in denen er arbeitet.
    Er schimpft über den Mangel an Privatsphäre, unter dem er leidet, wenn er, seine Frau und ihre vier Kinder in ihrer winzigen Wohnung in der Bretagne hocken - weit weg von Paris. Sie sind nur vorübergehend in der Hauptstadt, wegen der Proben zu seinem neuen Ballett Pulcinella . Er ist sehr angespannt, und es fällt ihm schwer, sich zu konzentrieren. Seine Kreativität wird erstickt. Er will doch nur mehr Platz zum Komponieren und gleichzeitig im Zentrum des Geschehens bleiben. Aber die Mieten sind so hoch.
    »Hier ist alles so furchtbar teuer«, klagt er.
    »Müssen Sie denn unbedingt in Paris wohnen?«
    »Alle sind hier. Satie, Ravel, Poulenc.« Er versucht, ihr durch die Analogie zu schmeicheln. »Hier ist das zwanzigste Jahrhundert.«
    »Vielleicht ist ja heute Ihr Glückstag.«
    »Wie meinen Sie das?« Schuldbewusst fragt er sich, ob er bei der Schilderung seiner Notlage übertrieben hat.
    »Wäre es Ihnen unangenehm, wenn ich Sie finanziell unterstützen würde?«
    »Vor ein paar Jahren wäre es das gewesen.«
    »Und jetzt?«
    »Jetzt noch viel mehr.«
    Die Antwort gefällt ihr, und sie lächelt.
    Als sie weiterschlendern, kommen sie an einen kleinen See, auf dem zwei verliebte Schwäne majestätisch übers Wasser gleiten.
    »Meine Geschäfte laufen recht gut in letzter Zeit, und mein
Buchhalter hat mir geraten, in eine Immobilie zu investieren. Also habe ich vor Kurzem eine Villa in Garches gekauft. Sie ist ruhig gelegen, in einem Vorort, und hat einen großen Garten. Es ist nicht gerade ein Palast, aber trotzdem ganz hübsch. Ich habe vor, im Sommer ein paar Monate dort zu verbringen - aber abgesehen davon wird sie den größten Teil des Jahres leer stehen. Ich habe mich gefragt …« Sie bleibt stehen und dreht sich zu ihm um. »Vielleicht möchten Sie die Gelegenheit nutzen und dort einziehen.«
    Er fingert unentschlossen an seiner Krawatte herum. »Ich kann doch unmöglich …«
    »Wenn Sie Anfang Juni einziehen, könnten wir noch ein paar Wochen zusammen dort verbringen. Sie würden sich in Ruhe einleben, ein wenig Urlaub machen und hätten genug Platz zum Arbeiten. Und für den Rest des Jahres würde die Villa ganz Ihnen gehören.« Einer der Schwäne reckt genüsslich den Hals. Wasserperlen tropfen von seinem Schnabel.
    Er sieht sie forschend an, um herauszufinden, ob sie es ernst meint. »Das ist ein fantastisches Angebot, und sehr verlockend. Allerdings glaube ich kaum, dass ich meine Familie einfach allein lassen kann …«
    »Aber, mein Lieber, natürlich nicht«, entgegnet sie bestürzt. »Die Villa ist sehr groß. Sie können alle mitkommen. Ich habe doch keinen Moment andeuten wollen, dass Sie sie zurücklassen sollen.«
    Verlegen, weil er ihr Angebot missverstanden hat, versucht Igor hastig, den Irrtum wegzulachen. »Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber Sie machen sich keine Vorstellung davon, worauf Sie sich da einlassen. Sie haben die Kinder noch nicht kennengelernt. Sie machen einen fürchterlichen Lärm.«
    »In ihrem Alter sollten sie das auch. Abgesehen davon werden sie mich kaum stören können, weil ich ohnehin nur
selten da bin. Außer im Juli und August wohne ich hauptsächlich in der Rue Cambon über meinem Salon. Die Entscheidung liegt bei Ihnen, aber Sie - Sie alle - sind mir herzlich willkommen.«
    Igor ist wie vor den Kopf geschlagen. Er weiß nicht, was er sagen soll. Natürlich ist das ein unglaubliches Angebot, und er wäre ein Narr, es abzulehnen. Aber er fühlt sich gedemütigt bei dem Gedanken, auf solche Wohltaten angewiesen zu sein. Er sieht die beiden Schwäne, die gelassen zwischen dem Ufer und einer Insel treiben. Dann erinnert er sich daran, was Diaghilew gesagt hat. Sie ist unvorstellbar reich. In finanzieller Hinsicht macht es ihr überhaupt nichts aus. Und wenn sie ihn nur des Prestiges wegen aufnimmt, na und? Das ändert doch nichts an seiner künstlerischen Integrität. Sie wird ihn nicht besitzen. Dieses Arrangement verschafft ihm lediglich die finanziellen Möglichkeiten, die er braucht, um weiter seiner Arbeit nachzugehen. Außerdem fasziniert sie ihn. In ihm regt sich der Wunsch, ihre Herausforderung anzunehmen. Sie braucht ihn nicht weiter zu drängen. Er dankt ihr.
    »Dann ist es also abgemacht. Sie ziehen ein. Sie alle«, bekräftigt sie noch einmal. Ihre Augen sind wachsam wie die eines Vogels. »Vorausgesetzt, natürlich, Ihre Frau ist einverstanden.«
    Er empfindet ihre Bemerkung als Stichelei, auch wenn

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