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Coco Chanel & Igor Strawinsky

Titel: Coco Chanel & Igor Strawinsky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Greenhalgh
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sie es vielleicht gar nicht so gemeint hat. »Ich bin mir sicher, sie wird entzückt sein.« Es wäre ja auch tatsächlich wunderbar, dort komfortabel und sorgenfrei wohnen zu können. Und dann auch noch ein Garten. Die Kinder werden begeistert sein.
    »Wie lange sind Sie denn schon mit …«, sie täuscht ein kurzes Zögern vor, »… Jekaterina, richtig, verheiratet?«
    Eine im Sonnenlicht aufleuchtende Haarsträhne weht ihr
ins Gesicht und lässt sie blinzeln. Sie streift sie mit den Fingern zurück.
    »Vierzehn Jahre.«
    »Sie müssen früh geheiratet haben.« Ihre Stimme klingt beinahe herablassend.
    »Wir kannten uns schon seit einer Ewigkeit.«
    »Das ist immer das Beste.«
    Es fällt ihm schwer, ihren Tonfall einzuschätzen, aber es reizt ihn, wie sie sich mit ihm duelliert. Er fängt an, es zu genießen. Sie hat einen flinken Verstand und eine hartnäckige Art, die seine gesamte Konzentration erfordert.
    Sie blickt erneut auf die Blumen, die er ihr mitgebracht hat. Dann bemüht sie sich um einen aufrichtigen Ton. »Natürlich gilt dieses Angebot zeitlich unbeschränkt. Sie können so lange bleiben, wie Sie wollen.«
    Sie will ihm zu verstehen geben, dass sie natürlich auch jemand anderen hätte einladen können. Er soll sich geschmeichelt fühlen, weil sie gerade ihn unterstützen möchte. Sie will, dass er erkennt, dass es ihr nicht um Status oder Prestige geht, zumindest nicht nur. Sie mag ihn, Herrgott noch mal. Seit jenem Abend vor sieben Jahren spürt sie, dass ihre Schicksale auf geheimnisvolle Weise miteinander verknüpft sind.
    Auch er spürt eine Seelenverwandtschaft zwischen ihnen, ein zartes, unausgesprochenes Band. Jemand hat ihn einmal gefragt - und diese Vorstellung hat ihm schon immer gefallen -: Wenn sich zwei Menschen aus unterschiedlichen Richtungen einer Kreuzung nähern, wie hoch ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass beide die gleiche Melodie vor sich hin summen und, wenn sie einander schließlich begegnen, auch noch exakt an der gleichen Stelle angelangt sind? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas geschieht, und
was würde es bedeuten, wenn es geschähe? Er kann es nicht erklären, aber hier mit Coco spürt er, wie eine leise Hoffnung auf ein solches Zusammentreffen möglich wird, und er fühlt sich aufgefordert, seine Hälfte zu jener gemeinsamen Melodie beizutragen.
    »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich muss unbedingt zurück in den Salon. Baronin Rothschild wartet auf mich, und ich bin schon zu spät. Ich rufe Sie in den nächsten Tagen an, dann können wir die Einzelheiten klären. Einverstanden?«
    Es ist weniger eine Frage als eine Anweisung. Es verwirrt ihn, wie sie jetzt schon sein Leben zu gestalten scheint. Er ist wie hypnotisiert von ihrer Energie und ihrem Charme.
    Sie reichen einander zum Abschied die Hand. Er sieht, dass die Blumen einen milchigen Fleck auf ihren Handschuhen hinterlassen haben.
    »Danke«, sagt er und verneigt sich ernst.
    Im letzten Moment überlegt sie es sich anders und küsst ihn flüchtig auf beide Wangen. Dann ist sie fort, zufrieden mit dem Verlauf ihres Gesprächs. Sie hat gern alles unter Kontrolle. Und wieder einmal ist sie beeindruckt von der Macht, die das Geld ihr zu verleihen scheint. Sie stellt immer wieder fest, dass es ihr unmittelbare Autorität und einen direkten Einfluss gewährt. Und insgeheim freut es sie auch, dass er ihr Angebot missverstanden hat.
    Sie hat in den vergangenen sieben Jahren einen weiten Weg zurückgelegt. Sie weiß noch, welche Ehrfurcht er ihr an jenem Abend der Uraufführung des Sacre eingeflößt hat. Aber jetzt ist er in greifbarer Nähe. Es ist seltsam, aber jedes Mal, wenn sie glaubt, jemand stehe weit über ihr, dauert es nicht lange, bis sie ihn überflügelt hat. Das hat sie zu einem Snob gemacht. Ihr Aufstieg war so steil, dass sie bald nur noch die Königswürde wird zufriedenstellen können. Bei
diesem Gedanken fühlt sie sich einerseits eingebildet, andererseits aber auch sehr einsam.
    Igor sieht ihr nach, als sie langsam und mit übertriebener Anmut auf ihren wartenden Chauffeur zugeht. Ihm fällt auf, dass sie nicht ein einziges Mal zurückschaut.
    Er beschließt, noch ein wenig zu bleiben, und sieht zu, wie einige der Tiere gefüttert werden. Der Käfig eines Pandas bleibt einen Moment unverschlossen, während das Futter hineingebracht wird. Zwei Zebras stürmen davon, als er sich ihnen nähert. Dann gerät er in einen kurzen Regenschauer. Er sucht Schutz unter einem Baum und schaut

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