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Cocoon, Band 01

Cocoon, Band 01

Titel: Cocoon, Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Albin
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sie mir den Zettel mit den Reinheitsstandards jeden Tag vor die Nase halten.«
    Zugegebenermaßen, sie hat recht. Heute ist sein wildes blondes Haar nach hinten gekämmt und liegt gepflegt auf den Schultern seines schwarzen Nadelstreifenanzugs. Ich frage mich, ob er wegen seiner Fähigkeiten oder aufgrund seines Aussehens Maelas Assistent geworden ist. Pryanas unverhohlenes Interesse ist trotzdem etwas zu dick aufgetragen. Aber auch die Reaktionen der anderen Mädchen sind auffällig. Einige werfen ihm verstohlene Blicke zu, oder sie setzen sich aufrecht hin und bringen ihr Dekolleté zu Geltung – alle sind sich seiner Präsenz bewusst. Wahrscheinlich ist das auch kein Wunder, angesichts jahrelanger Geschlechtertrennung. Irgendein Wachmann oder Assistent wie Erik ist für die meisten von uns der erste männliche Kontakt in unserem Alter. Ich will mich nicht kleinmachen wie manche von ihnen, so als wäre mir meine Weiblichkeit peinlich. Vielleicht habe ich ja deswegen so eine spitze Zunge, wenn Männer in der Nähe sind, und auch mein Herzklopfen beim Anblick des Jungen in der Zelle könnte etwas damit zu tun haben.
    »Ja, der ist schon süß«, sage ich, weil ich nett sein will. »Sein Haar ist aber schrecklich lang. Es wundert mich, dass sie ihn so herumlaufen lassen.«
    »Bei dir werden sie vermutlich keine Probleme mit den Reinheitsstandards haben«, zieht Pryana mich auf. »Außerdem habe ich gehört, dass in Küstenorten wie Saxun lange Haare normal sind. Oh, wir müssen los!«
    Die meisten Mädchen sind schon im Flur, Erik bildet die Spitze, und einige andere Beamte kommen hinterher.
    »Meine Damen, heute werde ich euch über das Gelände führen. Wie ihr wisst, assistiere ich Maela, der für die Ausbildung zuständigen Webjungfer. Leider ist sie derzeit unabdingbar für den Webvorgang. Wir werden jetzt die verschiedenen im Konvent untergebrachten Werkstätten und Abteilungen besichtigen.« Erik spricht laut, damit die ganze Gruppe ihn hören kann. »Seid versichert, dass ich für diese Führung bestens qualifiziert bin.«
    »Verflixt!«, brummt Pryana. »Wieder keine Webstühle. Aber wenigstens können wir ihm heute hinterherlaufen.«
    Anstatt ihr recht zu geben, schnappe ich mir ihren Arm, um sie mit nach vorn zu ziehen. Ich will nicht eine Minute dieser Tour verpassen. Erik runzelt die Stirn, als ich mich vordrängle, sagt aber nichts.
    »Mädchen«, flüstert Pryana, »er sieht dich an!«
    »Ja, weil ich gerade die halbe Gruppe umgeschubst habe, um hierher zu gelangen«, flüstre ich zurück.
    »Also, ich mag deine Art.«
    Ich grinse sie an und wende meine Aufmerksamkeit dann Erik zu, der weiter seinen Text abspult. Als sich der Flur in drei Gänge verzweigt, führt Erik uns in den linken. »Die meisten von euch werden auf der Einsteigerstufe arbeiten.« Er öffnet eine Tür, die in einen großen Raum führt. Innen stehen ordentliche Reihen kleiner Webstühle, und an jedem arbeitet eine Webjungfer eifrig an ihrem Stückchen Arras. Am hinteren Ende lassen einige quadratische Fenster etwas Licht herein, aber in der engen Werkstatt herrscht gedrückte Stimmung.
    »Man sollte erwarten, dass sie uns etwas mehr Licht gönnen«, bemerkt Pryana.
    »Vor allem, da das noch nicht mal echte Fenster sind«, brummle ich dazu. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Erik die Stirn runzelt.
    »Keine echten Fenster?«, wiederholt Pryana.
    Zwischen ihrer Überraschung und Eriks genervtem Blick fällt mir ein, dass ich eigentlich gar nicht wissen sollte, dass die Wände und Fenster der Anlage programmierte Bildschirme sind. Wilde Tiere sind einigermaßen glücklich, solange sie nicht wissen, dass sie in einem Käfig stecken.
    »Ja, die Fenster in meinem Zimmer sind riesig«, lüge ich. »Die könnten echt größere Fenster in den Werkstätten anbringen.«
    Pryana entspannt sich, zufrieden mit meiner Erklärung, aber Erik wirft mir einen einschüchternden Blick zu, bevor er sich wieder der Gruppe zuwendet.
    »Auf der Einsteigerstufe organisiert man die Rationierung – es geht darum, Nahrung aus den Anbaugebieten in die anderen Städte Arras’ zu weben. Auf dieser Stufe sucht man auch nach losen Fäden oder anderen Zeichen von Verfall«, erklärt er uns, während wir Raum um Raum ablaufen. Es muss Hunderte Webjungfern geben, die sich mit diesen einfachen Aufgaben beschäftigen.
    »Von da aus«, erklärt er beim Einbiegen in den anderen Flur, »könnt ihr zu den Wetterwerkstätten aufsteigen, die sich um die richtigen

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