Cocoon, Band 01
lang erstarren – bis mir wieder einfällt, dass Erik ihn zu mir geschickt hatte. Ich nicke.
»Tut mir leid, dass ich nicht kommen konnte, aber ich hatte etwas Wichtiges zu erledigen. Maela kann wirklich launisch sein, vor allem, wenn jemand sie infrage stellt.«
»Das habe ich bemerkt.«
»Ich will dich nicht noch einmal in die Zelle stecken, Adelice, also könntest du bitte etwas … «
»Liebenswürdiger sein?«, schlage ich vor.
»Gehorsamer«, korrigiert er mich. Ich zucke zusammen.
»Ich weiß so gut wie jeder andere, wie unfair sie sein kann, aber sie hat das Sagen, also folge bitte meinem Rat.« Sein Tonfall und sein Blick sind fast flehend.
Enora erwartet mich in einem großen, luftigen Zimmer. Die Fenster an einer Seite weisen zum Innenhof. Ich vermute, dass sie echt sind, greife danach und fühle Luft. Die anderen Fenster zeigen aufs Meer. Heute ist die See ruhig und spiegelt den wolkenlosen Himmel. Die Bildschirme wurden programmiert, um mich zu beruhigen, und vielleicht auch, um meine Verteidigung bröckeln zu lassen. Vor den Leinwänden mit Meerblick steht ein kleiner, stählerner Webstuhl.
»Wie geht’s dir?«, fragt sie, als wir eintreten. Ich lächle. Vermutlich ist meine Mentorin nur ein paar Jahre älter als ich, aber sie gluckt um mich herum wie eine Henne um ihr Küken.
»Prima«, sage ich einfach und frage mich, ob sie die dicke Lippe sieht, die Pryana mir verpasst hat.
»Enora, kannst du sie in ihr Zimmer zurückbringen, wenn du fertig bist? Oder soll ich sie abholen?«, fragt Erik aus dem Türrahmen.
»Das bekomme ich hin«, antwortet Enora würdevoll. »Vielen Dank für deine Hilfe.«
Obwohl ich sie mag, bin ich enttäuscht, dass ich ihn heute nicht mehr sehen werde. »Ja, vielen Dank, Erik.«
»Es war mir ein außerordentliches Vergnügen.« Beim Hinausgehen deutet er eine Verbeugung an.
»Er flirtet ganz gern«, warnt Enora.
Ich verdrehe die Augen. »Ist mir nicht aufgefallen.«
»Es geht mich ja nichts an, aber … Ach, vergiss es.« Sie beugt sich zu mir vor und zupft an meiner maßgeschneiderten Jacke herum. »Wir haben Wichtigeres zu tun.«
»Ist meine Wimperntusche alle?«, frage ich in gespieltem Schrecken.
»So gern ich deinen Sarkasmus auch mag, ich muss dich bitten, deine Zunge im Zaum zu halten. Man hat dich zu einem ganz besonderen Ratstreffen eingeladen.«
»Was für ein Rat?« Angestrengt versuche ich, mich an all die Namen und Abteilungen zu erinnern, deren Namen ich in der vergangenen Woche gehört habe, aber von einem Rat war nie die Rede.
»Es handelt sich um ein Treffen zwischen der Ausbildungsleiterin und dem offiziellen Botschafter des Konvents.«
»Cormac?«, frage ich besorgt.
»Ebender«, bestätigt sie und begleitet mich zurück auf den Flur.
»Dieser Rat besteht also nur aus Cormac?«
»Nein, Maela gehört auch dazu, aber sie wird nicht anwesend sein.«
»Cormac und Maela bilden einen Rat, der hier alles überwacht? Das erklärt Einiges«, brumme ich. Ich denke an unsere letzte Begegnung, als er mich an der Nilus-Station genötigt hat, etwas zu essen. Er muss gewusst haben, dass man mich erst mal ohne Verpflegung einsperren würde. Ich weiß nicht, ob ich es ihm danken oder ihn dafür hassen soll.
»Ist das wegen der Sache mit Maela?«, frage ich leise, damit die Überwachungsgeräte mich nicht hören können.
»Offiziell, nein«, flüstert sie. »Aber natürlich hast du recht.«
»Na großartig«, murmle ich. Ich frage mich, wie sie mich wohl dieses Mal bestrafen werden, als ein plötzlicher Gedanke mich innehalten lässt.
Amie .
Die Erinnerungen an mein letztes Zusammentreffen mit Cormac sind vom Valpron verschwommen, aber wenn sie sie noch haben, dann bin vielleicht nicht ich diejenige, die man bestrafen wird.
»Adelice.« Enora berührt mich am Arm.
Ich reagiere nicht.
»Du kriegst keinen Ärger«, sagt sie gedämpft.
»Nicht?« Angesichts all der Zeit, die ich in einer eiskalten, dunklen Zelle verbracht habe, fällt es mir schwer, das zu glauben.
»Komm schon.« Sie zieht mich weiter.
»Wenn nicht ich … «
»Maela«, bestätigt sie, jetzt ganz leise.
»Für das, was sie mit der Akademie gemacht hat?«
»Für vieles.« Sie runzelt die Stirn. »Maela hat ihre Kompetenzen im Konvent des Westens überstrapaziert. Sie wollte mich noch nicht einmal zu dir hinunter lassen, und damit hat sie ihre Zuständigkeit überschritten.«
Warum bist du dann nicht gekommen?
»Ich dachte, sie hätte hier das Sagen«, bemerke ich.
»Du
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