Cocoon, Band 01
durch Arras begleiten. Deine Stylistin und deine Kosmetikerin wissen, was erwartet wird, und ich nehme an, dass deine Mentorin … «
»Enora«, erinnere ich ihn.
»Ja, die«, sagt er, »sie wird dich nachher über das weitere Vorgehen informieren.«
Ich schlucke und nicke.
»Siehst du? Geht doch.«
»Kann ich etwas fragen?«
»Du wirst ja immer höflicher.« Er hebt eine Braue.
»Habt ihr meine Mutter gefunden?« Jetzt, da die Todesdrohung noch in der Luft hängt, scheint mir der Zeitpunkt günstig.
»Warte mal.« Mit einer Kopfbewegung aktiviert er sein Komplant und verlangt nach einer Frau namens Penny.
»Kannst du die Binären über Lewys, Fall zwei, abrufen?«
Mein Blick wandert einmal mehr zu Jost, der nun im Licht steht. Er wirft mir ein angespanntes Lächeln zu. Wahrscheinlich will er mir Mut machen.
»Nein, ich habe die persönliche Identifizierungssequenz nicht. Es war die Mutter.«
Fall. Es. Es ist schmerzhaft zu hören, wie sie so über meine Mutter sprechen.
»Danke, Schatz.« Cormac wendet seinen Blick wieder mir zu. »Sie wurde bei der Säuberung in Romen gefunden und entfernt.«
»Ihr habt sie herausgerissen?« Ich kann die Worte kaum über die Lippen bringen.
»Das ist die übliche Prozedur, und normalerweise springe ich mit Hochverrätern nicht so human um.«
Ich habe das klebrige, warme Blut auf unserem Esszimmerboden noch immer vor Augen. Ich weiß ganz genau, wie er – und die Gilde – normalerweise mit Hochverrätern umspringen.
»Du«, ruft er Jost zu. »Maelas Assistent soll sie abholen.«
Jost lässt ein Brummen aus seiner Ecke vernehmen und tippt den Befehl in die kleine Komkonsole ein.
»Eines noch, Adelice.«
Ich versuche, die Tränen zu unterdrücken, die mir in den Augen brennen.
»Dir ist sicher klar, dass die nächsten Ereignisse im Stream übertragen werden.«
Ich nicke. Zu Hause müssen alle die Gildennachrichten im Stream mitverfolgen. Normalerweise geht es darin um Leute, die einander auf die Schultern klopfen und um die Besuche gut aussehender und bedeutender Politiker. Da der Stream sich automatisch einschaltet, ließen meine Eltern ihn oft einfach laufen, während wir weiter unseren abendlichen Beschäftigungen nachgingen. Als wir klein waren, haben Amie und ich die Satinkleider und glitzernden Juwelen der Webjungfern bestaunt. Jetzt bin ich eine solche Webjungfer.
»Erinnerst du dich an die Abmachung, die wir bei unserer ersten Begegnung getroffen haben?«
Interessiert beuge ich mich vor und krame in meinen Erinnerungen an jenen Abend. Die Bilder von meiner Einberufung und der letzten Mahlzeit mit meinen Eltern sind schrecklich unscharf. Ich würde mich gern besser an diesen Abend erinnern, wenn auch nicht an den Teil davon, den ich mit Cormac verbracht habe.
»Blödes Valpron.« Er schüttelt erneut den Kopf und blafft: »Penny, der Chefanästhesist bei der Lewys-Einberufung. Lass ihn entfernen.«
Ich schnappe nach Luft. Jost sieht aus, als wäre er mir am liebsten sofort beigesprungen, aber er bleibt in seiner Ecke.
»Diese Inkompetenz«, bemerkt Cormac, doch sein Tonfall klingt nicht wütend. In Gedanken ist er schon wieder ganz woanders. Seine arme Sekretärin hasst wahrscheinlich ihren Job.
»Nachdem ich erwähnt hatte, dass ich jemanden in meiner Gewalt habe, den du sehr liebst, hast du eine tolle Show hingelegt«, fährt er fort.
»Zu dumm, dass ihr sie entfernt habt«, sage ich und stocke dabei nur ein winziges bisschen.
»Ich meinte nicht deine Mutter«, sagt er. »Deine Schwester, wie hieß sie doch gleich?«
»Amie«, antworte ich ausdruckslos.
»Man hat sie neu verwebt, und ich habe gehört, dass sie glücklich und in Sicherheit ist.«
»Glücklich?«, frage ich zweifelnd.
»Wir haben ein paar Änderungen an ihr vorgenommen.«
»Also habt ihr einen anderen Menschen aus ihr gemacht?«
»Im Kern ist sie noch dieselbe«, versichert Cormac mir.
»Aber ihr habt die Erinnerungen an meine Familie entfernt. An mich.« Ich versuche, das Gehörte zu verarbeiten. Mit einem Mal fühlen sich meine Augen trocken an.
»Eine unserer besten Webjungfern im Konvent des Nordens hat ihren Faden gesäubert«, sagt er herablassend.
»Was soll das heißen?«, brause ich auf. »Erst habt ihr meine Stadt gesäubert und jetzt ihren Faden?«
»Dieses Verfahren wird seit Jahren bei Abweichlern angewandt. Wenn ein Kind einen Hang zu Gewalttätigkeiten oder Dummheiten hat, dann kartografieren wir sein Gehirn. So können wir herausfinden, wie es
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