Cocoon, Band 01
Mundwerk.«
Neben mir wird Enora langsam unruhig.
»Und wer bist du?«, fragt er mit einem Blick zu ihr.
»Enora«, sagt sie leise. »Ich bin Adelice’ Mentorin.«
Immerhin, ihr Tonfall klingt gelassen.
»Freut mich, dich kennenzulernen, Enora«, sagt er und nippt an seinem Glas. »Ich werde Adelice zurück in ihr Zimmer bringen lassen, wenn wir fertig sind.«
»Ich bleibe gern«, erwidert sie.
Kopfschüttelnd lacht Cormac in sich hinein. Anscheinend handelt es sich um einen kühnen Vorschlag. »Das wird nicht nötig sein.«
Mit besorgtem Blick verlässt Enora das Zimmer. Dann bin ich mit dem offiziellen Konventssprecher der Gilde allein.
»Setz dich«, befiehlt er. »Einen Cocktail?«
Ich schüttle den Kopf.
»Nun gut.« Als er sein Glas hinstellt, tritt ein Bediensteter vor, um ihm nachzuschenken. Ich schnappe unwillkürlich nach Luft und drehe den Kopf weg, damit Cormac meine Reaktion nicht bemerkt.
»Wünschen Sie sonst noch etwas?«, fragt Jost, und die Röte steigt mir in die Wangen. Mit einem Mal bin ich dankbar für die schweren Vorhänge.
»Derzeit nicht, aber halt dich in der Nähe«, antwortet Cormac herablassend.
»Sehr gern«, murmelt Jost, doch unsere Blicke treffen sich, als er sich umdreht. Er sieht nicht gerade glücklich aus. Im nächsten Moment ist er wieder in der Dunkelheit verschwunden.
»Du hast also Ärger gemacht«, stellt Cormac fest, während er seinen Whiskey schwenkt.
Ich konzentriere mich auf das leise Klappern der Eiswürfel im Glas und antworte nicht.
»Wie immer hat Maela ihre Kompetenzen überschritten. Aber eigentlich ist sie deine Vorgesetzte, weißt du?«
»Eigentlich?«, frage ich erstaunt.
»Meinst du etwa, dass wir alle Mädchen, die einen Tunnel unter ihrem Haus graben, am Leben lassen?«
»Warum dann mich?«
»Bei den Prüfungen hat sich gezeigt, dass deine Fähigkeiten bahnbrechend sind.« Er stellt sein Glas ab und beugt sich vor.
»Warum bist du der Einzige hier, von dem ich etwas erfahre?«, frage ich und rutsche auf meinem Stuhl nach hinten.
»Tja, ich weiß eben mehr als alle anderen.«
»Aber die anderen wissen auch mehr, als sie sagen«, erwidere ich. Vom Geruch seines Rasierwassers wird mir ganz schummrig, und all die Gedanken, die ich seit meiner Ankunft unterdrücke, treiben wieder an die Oberfläche.
»Ja, etwas wissen sie schon«, gibt er zu. »Aber ich habe sehr viel mehr Macht. Wenn man das Sagen hat, kann man freigiebiger mit kleinen Geheimnissen umgehen.«
»Hast du denn das Sagen?«, frage ich. »Warum erzählst du mir das alles? Du hast doch ebenso wenig Grund, mir zu vertrauen, wie die anderen.«
»Das stimmt«, sagt er. »Aber im Gegensatz zu ihnen kann ich dich jederzeit umbringen lassen.«
»Und ich dachte gerade, dass wir endlich Freundschaft schließen.«
Cormac lacht ein tiefes, bellendes Lachen. »Du bist wunderbar. Ich hoffe wirklich, dass ich dich nicht hinrichten muss.«
»Wenigstens darin sind wir uns einig.«
Er legt seine warme Hand auf mein Knie. »Du könntest zur mächtigsten Frau hier aufsteigen, wenn du deine Karten richtig ausspielst.«
Ich schlage die Beine übereinander, und seine Hand rutscht ab.
»Ich bin hier, um dafür zu sorgen, dass Maela dich nicht umbringt.« Er setzt sich auf. »Und du machst es mir nicht gerade leicht.«
»Und wenn sie mich umbringt?«
»Werden wir sie aus dem Gewebe entfernen.« In seinem Tonfall liegt keine Spur von Trauer.
»Weiß sie das?«
»Ich habe mit ihr geredet«, antwortet er. »Natürlich hasst sie dich dafür nur noch mehr.«
»Na prima.«
»Du solltest lieber aufhören, jeden hier zu verärgern und anfangen, dir um dich selbst Gedanken zu machen.« Jede Spur von Belustigung ist aus seinem Tonfall verschwunden. »Ich kann sie davon abhalten, dich zu töten, aber bis du ihren Einflussbereich verlässt, bist du von ihr abhängig.«
»Und wie komme ich da raus?«
»Zuerst einmal machst du deine Arbeit. Dann suchst du dir Verbündete.«
»Enora hat mir schon gesagt, dass ich Freunde finden soll.«
»Du brauchst mehr als nur Freunde«, sagt er. »Deine einzige Chance ist, Maelas direktem Zugriff zu entkommen. Um das zu erreichen, brauchst du jemanden, der über echte Macht verfügt.«
»Zum Beispiel?«
»Ich denke da an jemand ganz Bestimmten.«
Er lässt den Blick zu meinen Beinen wandern, und ich setze mich aufrechter hin. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Jost im Schatten zusammenzuckt.
»Adelice, du wirst mich dieses Wochenende auf einer Werbetour
Weitere Kostenlose Bücher