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Cocoon, Band 01

Cocoon, Band 01

Titel: Cocoon, Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Albin
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schüttelt den Kopf, und das Mondlicht spielt auf seinem goldenen Haar. »Nein, das ist nichts Neues. Als du hier angekommen bist, dachte ich erst, ich müsste dich umbringen.«
    Ich ächze. Das ist so ungerecht. »Sie hasst mich also wirklich.«
    »Nein«, sagt er. »Die Gilde exekutiert jedes Mädchen, das davonläuft. Die übliche Null-Toleranz-Schwelle. Als ich dich betäuben sollte, nahm ich an … «
    »Und du hättest es getan«, werfe ich ihm vor.
    »Ganz so einfach ist es nicht.«
    »Schließlich bin ich nicht im eigentlichen Sinne abgehauen«, räume ich ein. »Meine Eltern haben versucht, mich zu verstecken.«
    »Das spielt keine Rolle«, sagt Erik, durch mein Geständnis kein bisschen aus der Fassung gebracht. »Dann hätten sie dich und deine Familie getötet.«
    »Warum?« Ich forme das Wort mit den Lippen, doch kein Ton kommt heraus.
    »Ein Mädchen, das abzuhauen versucht oder nach der Prüfung mit seiner Familie davonläuft, wird nie loyal genug sein, um ihm zu vertrauen. Die wenigsten, die Reißaus nehmen, schaffen es in den Konvent, nachdem man sie gefangen hat. Aber Tratsch ist Maelas Leben, deshalb erfahre ich davon, wenn es doch einmal geschieht. Im westlichen Sektor scheint es häufiger vorzukommen. Die Gedanken der Mädchen, die von ihren Eltern versteckt werden – deren Eltern bei der Prüfung mogeln – , sind vergiftet.«
    »Und die Mädchen, die freiwillig kommen, sind die loyal?«, will ich wissen.
    »Natürlich. Die Gilde überwacht ihre Familien, Adelice«, sagt er. »Nur ein paar falsche Fragen, und diejenigen, die … «
    »Was passiert mit ihnen?«
    Erik schüttelt den Kopf.
    »Beschatten sie uns deshalb? Mich?«, frage ich schlicht. »Weil meine Eltern tot sind und meine Schwester so verändert wurde, dass sie mich nicht wiedererkennt? Weil sie nichts mehr haben, um mich unter Druck zu setzen?«
    »Vielleicht«, räumt Erik ein, und ich versetze ihm einen kräftigen Stoß. Ich hasse ihn, weil er die Wahrheit sagt. Ich schlage wieder und wieder auf ihn ein, und er lässt es geschehen. Schließlich schmerzen mir die Hände, und ich sinke erschöpft an seine Brust. Lange Zeit sagen wir nichts, und mein Atem passt sich seinem an. Das gleichmäßige Heben und Senken unserer Rippen verspricht Ruhe und Normalität.
    »Adelice«, flüstert er und hält mich noch immer reglos umarmt. »Ich wäre mir nicht so sicher, dass sie beide tot sind.«
    Mir stockt der Atem, was verhindert, dass meine Gedanken alle auf einmal aus mir hervorbrechen.
    »Die Gilde ist zu schlau, um die Familie einer Webjungfer zu töten und dann noch zu erwarten, dass sie ihr dient. Sie sorgt lediglich dafür, dass dir fast nichts mehr bleibt«, warnt er mich, wobei er so leise in mein Haar flüstert, dass ich seine Worte kaum verstehe.
    »Sie haben meine Schwester Amie.« Ich muss den Tatsachen ins Auge sehen. »Obwohl sie sie gesäubert und neu verwebt haben.«
    »Ist sie jünger als du?«
    »Zwölf.«
    Er runzelt die Stirn. »Und deine Eltern – hast du gesehen, wie sie gestorben sind?«
    Das Bild des Leichensacks im Esszimmer flackert in meinem Kopf auf. »Meinen Vater habe ich gesehen. Ich weiß, dass er tot ist«, sage ich mit hohler Stimme.
    »Aber dass sie deine Mutter getötet haben, hat man dir nur erzählt?«
    Die unzähligen Scherben meiner zerbrochenen Hoffnungen knirschen in meiner Brust.
    »Warte.« Ich rücke von ihm ab und sehe ihm in die Augen. Obwohl ich leise spreche, sprudelt es aus mir hervor: »Willst du damit sagen, dass meine Mutter vielleicht noch lebt?«
    »Ja, sie ist ganz sicher noch am Leben.« Er kann kaum aussprechen, da verschließe ich ihm schon mit meinen Lippen den Mund. Erst küsse ich ihn aus Freude oder vor Schreck, doch bald weicht die Aufregung des Kusses einem ernsthafteren Gefühl, und ich dränge mich dichter an ihn. Langsam bewegen sich seine Lippen, und seine Hände umfassen meine Taille. Am liebsten würde ich diesen Augenblick herausweben und für immer aufbewahren. Mein wild pochendes Herz, der Geschmack von Wein auf seinen Lippen und unsere eng aneinandergeschmiegten Hüften.
    Doch Maela hat andere Pläne.

ZWÖLF
    A ls Erik und ich uns aus unserer Umarmung lösen, steht Maela einige Schritte entfernt auf dem schmalen Steinpfad. Hinter ihr leuchtet der Mond, sodass ich ihr Gesicht nicht sehen kann, doch ihre strenge, aufrechte Haltung verrät alles, was ich wissen muss . Nun ja, fast alles. Mehr als alles andere muss ich wissen, wie lange sie bereits hier gestanden hat.

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