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Cocoon, Band 01

Cocoon, Band 01

Titel: Cocoon, Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Albin
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Das ist wichtiger, als zu erfahren, wie sie über meinen und Eriks Kuss denkt oder was sie jetzt, nachdem sie uns ertappt hat, tun wird. Letzteres kann ich mir allerdings ziemlich gut vorstellen.
    »Erik«, sagt sie mit ruhiger Stimme. »Ich brauche dich, um ein paar Minister auf ihre Gästezimmer zu begleiten. Die Pagen sind gerade alle beschäftigt.«
    Als Erik seine Arme von mir löst, weht die beißend kalte Nachtluft über meine nackte Haut und lässt mich erschauern. Nach einem besorgten Blick zu mir wendet er sich an Maela: »Erst bringe ich Adelice auf ihr Zimmer.«
    »Ich glaube, du hast ihr heute Abend bereits genügend Aufmerksamkeit zukommen lassen«, knurrt Maela und macht einen Schritt auf uns zu. Dabei weicht der Schatten von ihrem Gesicht, und ich sehe, dass sie weint.
    Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal Mitleid mit ihr haben würde oder gar dazu in der Lage sein würde, sie zu verletzen. Doch angesichts ihres verschmierten Mascaras möchte ich am liebsten im Erdboden versinken und mich zwischen den Zweigen und Ranken verkriechen.
    »Bist du mir gefolgt?«, will Erik wissen.
    »Ich habe dich gebraucht«, sagt sie ruhig.
    »Dort drin sind fünfzig andere Wachleute«, sagt er kopfschüttelnd. »Ich arbeite für dich, aber ich gehöre dir nicht.«
    Ihre Nasenflügel beben bei seinen grausamen Worten, und selbst ich spüre den Stich, den sie verursachen. Das wird unangenehm.
    »Ohne mich wärst du nicht hier«, erinnert sie ihn. »Dann würdest du noch immer in der Küche schuften wie ein Sklave oder auf einem Fischkutter hocken und langsam verrecken. Wenn du nicht dorthin zurückwillst, wirst du die Minister nach oben geleiten. Adelice findet allein den Weg in ihr Zimmer.«
    Als sie seine Vergangenheit erwähnt, gibt er nach und verschwindet zwischen den ungebändigten schwarzen Silhouetten der Bäume, ohne ein weiteres Wort zu ihr zu sagen. Oder zu mir.
    Maela rührt sich nicht. Ich spiele meine Handlungsmöglichkeiten durch. Wenn ich weggehe, muss ich an ihr vorbei und komme auf Armeslänge an sie heran. Der Gedanke gefällt mir nicht. Oder ich versuche, ein Gespräch mit ihr anzufangen, doch ich kann an nichts denken als an Eriks Lippen auf meinem Mund, und darüber wird sie sich kaum unterhalten wollen. Die dritte Möglichkeit ist, sie so lange anzustarren, bis sie geht. Und da dies die ungefährlichste Variante zu sein scheint, entscheide ich mich dafür.
    »Gute Nacht, Adelice«, sagt Maela und wendet sich ab. »Die Party ist noch nicht zu Ende, aber ich habe genug.« Ohne ein weiteres Wort zieht sie sich auf dem Weg zurück, den auch Erik genommen hat.
    Als ich in den Saal zurückkehre, ist Erik gerade dabei, betrunkene Politiker einzusammeln, und ich versuche, seine Aufmerksamkeit nicht auf mich zu ziehen. Im Moment sind die Dinge schon kompliziert genug. Maela kann ich nirgends entdecken. Enora auch nicht. Gut. Eine Nacht in der Zelle oder eine Standpauke kann ich nun wirklich nicht gebrauchen. Was ich brauche, ist ein Bett.
    Ob aus Erleichterung darüber, dass meine Mutter vielleicht noch lebt, oder weil ich zu viel Wein getrunken habe, jedenfalls versinke ich in tiefem Schlaf, kaum dass ich liege. Als ich wachgerüttelt werde, habe ich das Gefühl, dass nur wenige Augenblicke vergangen sind. Ich brauche einen Moment, um die völlig aufgelöste Enora zu erkennen, die sich über mich beugt.
    »Wie spät ist es?«, krächze ich mit trockener Kehle.
    »Vier Uhr morgens«, sagt sie hastig. Ich frage mich – mit halb wachem Verstand – , wieso sie so früh schon hier ist.
    »Okay«, brumme ich und versuche, mich aus ihrer Reichweite zu rollen.
    »Es ist ernst!«, zischt sie. »In ein paar Minuten wird einer von Maelas Leuten bei dir sein. Ich habe nicht viel Zeit.«
    Erik. Er ist auf dem Weg zu meinem Zimmer. Pfeilschnell setze ich mich im Bett auf und wische mir die Haare aus dem Gesicht.
    »Hier.« Enora drückt mir ein Kleid in die Hand. »Zieh das an. Das da wirst du nicht anbehalten wollen.«
    Erst jetzt blicke ich an mir herab und stelle fest, dass ich noch immer das Kleid vom Ball trage. Rasch reiße ich es mir vom Leib. Mir bleibt keine Zeit, ihr klarzumachen, dass ich Unterwäsche brauche, deshalb stülpe ich mir das neue Kleid einfach so über und fühle mich verwundbar und unbehaglich.
    »Gib mir deine Hände«, verlangt sie, und da ich ihrer Aufforderung nicht schnell genug nachkomme, greift sie nach ihnen. Kurz darauf pinselt sie mir durchsichtigen Lack auf die Fingernägel.

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