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Cocoon, Band 01

Cocoon, Band 01

Titel: Cocoon, Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Albin
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abgehalten.«
    »Geschichten?« Meine Worte sind kaum ein Hauchen.
    »Furchtbare Geschichten. Von ausgelöschten Familien und neu verwebten Dörfern. Nur flüsternd von Verzweifelten weitergegeben. Ich war plötzlich uneins mit mir und habe deshalb nichts unternommen.« Da Jost inzwischen mit meinen Händen fertig ist, sitzt er einfach so auf dem Wannenrand. Seine blauen Augen leuchten wie kleine Flammen. Ihr Blick ist in weite Ferne gerichtet, auf die Ruinen seiner Vergangenheit.
    »Hast du es deiner Frau erzählt?« Ich stolpre über die Worte, denn Zweifel an Jost, Zweifel an meinem Hiersein steigen in mir auf und schnüren mir die Kehle zu.
    Jost schüttelt den Kopf, doch sein Blick ist immer noch abwesend. »Nein, ich wollte nicht, dass sie sich Sorgen macht. Ich hätte es ihr sagen sollen, aber ich hatte Angst, das Gehörte zu wiederholen. Wie sich herausstellte, war das die richtige Entscheidung. Es gibt Webjungfern, die darauf spezialisiert sind, solche Verschwörungen und Antigildengruppen aufzuspüren.«
    »Ja, das hat man uns in der Ausbildung beigebracht. Das Gewebe fängt an zu verblassen und fleckig zu werden. Nur die Fäden der Menschen, die loyal sind, behalten ihre ursprüngliche Farbe.«
    »Ich würde wetten, dass Rozenns Faden der schönste von allen war«, sagt er ehrfürchtig.
    Als er ihren Namen sagt, brennen mir heiße Tränen in den Augen.
    »Ich frage mich, wie Saxun aussah, als sie kamen.«
    »Ich kann es mir nicht vorstellen«, gestehe ich. »Meine Eltern haben mich acht Jahre lang gedrillt, damit ich bei der Prüfung durchfalle, und niemand ist deswegen gekommen. Ich weiß nicht, wie deutlich der Fleck werden muss, bevor man ihn erkennt.«
    »Waren deine Eltern offen gegen die Gilde eingestellt?«
    Ich schüttle den Kopf. Trotz dessen, was sie getan haben, könnte ich nicht behaupten, dass sie Rebellen gewesen wären. »Nein, sie haben sich nie gegen die Gilde geäußert. Darauf haben sie stets geachtet. Und außerdem war meine Mutter nur Sekretärin und mein Vater Mechaniker.«
    »War?«
    »Ich bin nicht die Einzige, die bestraft wurde«, sage ich leise. »Ich dachte, das wüsstest du.«
    »Ich habe es geahnt«, gibt er zurück. »Wie dem auch sei, Saxun war voller Rebellen, deine Eltern dagegen waren nur zu zweit.«
    Ich denke an die Tunnel unter meinem Haus. Die mussten irgendwohin führen. Es gibt noch so viel, was ich nicht über meine Eltern weiß. »Vermutlich kann man über einen kleinen Verrat hinwegsehen.«
    »Aber nur über einen kleinen«, murmelt er.
    »Ja.« Mein Lächeln bröckelt an den Rändern. »Was ist geschehen?«
    »Die Gilde hat an unserem Dorf ein Exempel statuiert.« Josts Stimme wird schwächer, und ich beuge mich vor, um ihn zu verstehen. »Sie haben sie alle herausgerissen, unsere Schwestern, unsere Mütter, unsere Töchter … «
    »Eure Frauen«, füge ich hinzu, und er nickt.
    Sein Kopf sackt herab, und plötzlich gibt es keine Distanz mehr zwischen uns. Als er weiterspricht, sind seine Worte abgehackt. »Ich habe es gesehen. Du kannst dir nicht vorstellen, Adelice, wie es ist, so etwas zu sehen.«
    Ich erinnere mich daran, wie ich aus dem Zimmer meiner Großmutter hinausgeschickt wurde. Wie die Krankenschwester den Vorhang zugezogen und mir den Rücken zugewandt hat, als könne sie den Anblick nicht ertragen.
    »Sie stand an der Anlegestelle und wartete mit den anderen Frauen darauf, dass wir zum Essen zurückkehrten. Dann verschwand sie plötzlich. Erst lösten sich ihre Beine auf, und sie sah so verwirrt aus, dass ich nach Hilfe schrie. Aber wir konnten nichts tun. Wir mussten von den Booten aus zusehen. Als Nächstes verschwand ihr Mund, sodass sie nicht mehr nach mir rufen konnte. Als Letztes löste sich ihr Rumpf auf.« Er macht ein würgendes Geräusch, und dann sehe ich, dass er weint. »Sie hielt unsere Tochter auf dem Arm.«
    Ich weine mit ihm. Um seinen Verlust, und weil ich verwirrt bin. Das ist nicht der grinsende Junge, der mir Süßkartoffeln zu essen gegeben hat. Und ich bin nicht nur betrübt wegen der Dinge, die ihm die Gilde angetan hat, sondern auch, weil wir so unterschiedlich sind. Ich weine, weil ich ein blödes Gör bin, das seine Eifersucht und seine Minderwertigkeitskomplexe darüber, dass Rozenn ihn zuerst gehabt hat, nicht überwinden kann. Und wegen der Kluft, die stets zwischen uns bestehen wird. Er war einst Ehemann, Vater, und ich bin nichts und werde nie etwas anderes sein. Wie es aussieht, hat die Gilde uns doch unsere Rollen

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