Code Delta

fünfzig.
    Möglicherweise befand sich Fiona sogar noch in Rom. Die ganze Reise nach England konnte sich als Zeitverschwendung erweisen. Aber es war ihre einzige Spur. Und selbst wenn dieser Ridley Fiona nicht hatte, wusste er vielleicht wenigstens, wo sie festgehalten wurde.
    Worauf zielte das Ganze ab? Sosehr er sich auch bemühte, King konnte sich nicht zusammenreimen, was Ridley im Sinn hatte. Er beschloss, alles, was er wusste, noch einmal Revue passieren zu lassen. Ridley erschuf Golems, die seine schmutzige Arbeit erledigten, doch waren sie nur Mittel zum Zweck, nicht das Endziel. Aber sie geben einen Hinweis darauf , dachte King. Der Sandfisch war im Grunde nichts Neues. Ridley hatte schon früher genetische Monster erschaffen. Entstammte die Echse jedoch wirklich einem Genlabor, oder wurde sie mittels der seltsamen Protosprache manipuliert? Wie dem auch sei, King kannte nicht mehr als einzelne Erscheinungen von etwas viel Größerem, und er kam einfach nicht darauf, was es sein könnte.
    Er überlegte, was er über Ridleys Persönlichkeit wusste. Er war ein Genie, skrupellos ohnegleichen, und er betrachtete keinen Menschen als ebenbürtig. Der Mann litt an einem Gottkomplex, besonders, seit er durch Gentechnik unsterblich geworden war. Und jetzt hatte er auch noch gelernt, unbelebten Objekten zumindest zeitweise Leben einzuhauchen. Davidson hatte ihnen zwar ein paar Hinweise gegeben, warum die Eigenschaften dieser uralten Sprache die Welt verändern konnten, aber …
    Kings Gedanken blieben bei den Worten »die Welt verändern« hängen. Genau das war es, was Ridley tat. Lebende Statuen, gigantische Eidechsen, Kopien von sich selbst. Er manipulierte die Realität. Wie weit gingen seine Fähigkeiten? Konnte er ein Gott werden? Sobald die Frage sich in Kings Kopf formte, kannte er auch schon die Antwort.
    Ja.
    Ridley war unsterblich und hielt die Schlüssel zu Leben, Tod und in gewissem Maß auch der Schöpfung in der Hand. Er würde ein Gott sein, und ein Großteil der Welt würde vor ihm niederknien und ihn anbeten. Aber selbst das konnte nicht alles sein. Nicht für jemanden wie Ridley. Er gierte nach Macht. Nach Herrschaft. Doch er war nur ein Einzelner. Es konnte Jahrhunderte dauern, bis er eine genügend große Gemeinde von Gläubigen um sich geschart hatte, und er war kein geduldiger Mensch. Da musste noch etwas anderes sein.
    Während ihm die verschiedensten Theorien durch den Kopf gingen, kehrte King zu seinem Sitzplatz zurück. Alexander saß mit zurückgekippter Lehne und geschlossenen Augen im Heck des Flugzeugs. King staunte über die Fähigkeit, einfach zu schlafen, während es doch so viel nachzudenken gab. Er nahm gegenüber Platz und seufzte.
    »Unvorhergesehene Komplikationen?«, fragte Alexander.
    King schreckte hoch. Anscheinend schlief der Mann doch nicht. »Könnte man sagen.«
    Alexander schlug die Augen auf und stellte seine Lehne senkrecht. Er drückte einen Knopf an seiner Armlehne, und eine Stewardess erschien aus dem Vorderteil des Flugzeugs. »Ja, Sir?«
    Er hielt lediglich zwei Finger hoch. Sie nickte und verschwand.
    »Bei Ihren Experimenten mit dem Blut der Hydra. Als Sie die Vergessenen erschufen und sich unsterblich machten, haben Sie da je …« King suchte nach den richtigen Worten. Das klang alles so aberwitzig. Andererseits galt das ja auch für die Unsterblichkeit. »Haben Sie sich da jemals dupliziert?«
    Wie immer nahm Alexander die Frage völlig ernst. Für ihn lag alles im Bereich des Möglichen. »Nein. Nie. Den Kopf abzutrennen würde in Ridleys Fall, und auch in meinem, zum Tod des Körpers führen. Die Regeneration findet vom Hals abwärts statt. Das Selbst in zwei Einheiten aufzuspalten ist in den Genen der Hydra nicht vorgesehen.«
    »Er könnte sich also nicht einfach ein Körperteil abhacken und es zu einem neuen Ich wachsen lassen?«
    »Die DNA der Hydra setzt ihm Grenzen, und wenn er sich auf seinen Job versteht, hat er nur dieses eine Gen auf sich übertragen.«
    »Dann ist es also nicht denkbar?«
    »Das habe ich nicht gesagt. Es gibt Spezies, bei denen ist die Fortpflanzung durch Zellteilung etwas absolut Normales. Bei Einzellern zum Beispiel. Wenn Ridley seinen genetischen Code immer weiter verändert, nun, dann ist alles möglich. Welche Ressourcen standen ihm denn nach dem Hydra-Vorfall noch zur Verfügung?«
    »Seine Firma wurde zerschlagen«, antwortete King. »Sein Vermögen ist eingefroren. Aber er hatte wahrscheinlich geheime Konten. Anlagen, von