Code Delta
das je tun werde«, erwiderte King offen. Im Unterschied zu Ridley war Alexander ein geduldiger Mensch. Er hatte schon mehr Lebensalter hinter sich, als Ridley sich überhaupt vorstellen konnte. Und obwohl King keinen konkreten Hinweis darauf hatte, argwöhnte er, dass hinter Alexanders Beteiligung an der Jagd nach Ridley mehr steckte als Altruismus oder der Wunsch des einen Unsterblichen, die Welt vor einem anderen zu schützen. Der Mann verfolgte seine eigenen Ziele, dessen war sich King sicher. Aber darum konnte er sich später kümmern. Im Moment war Alexander ein wichtiger Verbündeter bei dem Versuch, Ridley aufzuhalten. Immerhin hatte der ehemalige Herkules Tausende von Jahren in friedlicher Koexistenz mit den Sterblichen gelebt, ohne den Versuch zu unternehmen, die Menschheit zu versklaven. Was sich allerdings jederzeit ändern konnte. Und aus diesem Grund musste King ihn genau im Auge behalten.
Alexander lachte verhalten und zog eine Grimasse, die besagte: »Na gut – ich zuerst.«
Er trank das Gebräu aus und grinste. Er wirkte plötzlich erholt und energiegeladen.
»Wenn Sie nicht unsterblich wären«, meinte King, »ergäbe Ihre Geste vielleicht Sinn. Was ist da drin?«
»Eine homöopathische Mischung. Mein eigenes Rezept. Ich verrate es Ihnen nicht. Es könnte sehr gefährlich sein, wenn sie in die falschen Hände gerät.« Alexander sah zu dem großen runden Fenster neben sich hinaus. Die Kreidefelsen Englands kamen in Sicht. »Wenn wir landen, müssen wir schnell handeln. Und da ich Sie bis jetzt weder schlafen noch sich entspannen gesehen habe, brauchen Sie etwas Unterstützung, um durchzuhalten.«
King wollte widersprechen, fand aber keine begründeten Einwände. So durchtrainiert und fit er war – wenn er sich nicht ausruhte, würde sein Körper ihn irgendwann im Stich lassen. Er fühlte sich jetzt schon ausgelaugt, und wenn es in England hart auf hart kam, konnte das zum Risiko werden. Er nahm das Glas und trank es in zwei Schlucken aus. Die Flüssigkeit schmeckte wie leicht gesüßtes Wasser mit einem Hauch von …
Ein Energieschub durchströmte ihn, und unwillkürlich musste er lächeln. Er fühlte sich verjüngt und hellwach. Seine Gedanken waren klar und fokussiert. Es war sicher nicht vergleichbar mit dem Adrenalinstoß, den Alexander sich selbst in Rom verpasst hatte, aber trotzdem erstaunlich. King sah ein, dass dieses Tonikum in den Händen der Militärs zu einem Problem werden konnte. Eine Armee, die keinen Schlaf benötigte und immer auf dem Höhepunkt ihrer Schlagkraft war, wäre sehr gefährlich.
»Besser?«, fragte Alexander.
»Viel besser«, erwiderte King.
»Gut, denn von jetzt an, bis wir diesen Kampf beendet haben, gibt es kein Nachlassen mehr.«
44 El Mirador, Guatemala
Der Helikopter schwankte und sackte ab. Wind und Regen peitschten gegen seinen schwarzen Rumpf. Dunkle Wolken verdeckten die aufgehende Sonne, während Blitze durch den Himmel zuckten und den Urwald mit einem unablässigen Stroboskopgewitter überschütteten. Ein Blitzstrahl schoss nahe vorbei und schlug mit einem Funkenregen in einen Baum ein. Der Donner folgte augenblicklich, während die supererhitzte Luft um den Blitz sich in einer Schockwelle ausbreitete und den Hubschrauber zur Seite warf.
Die Hölle hatte den Luftraum über dem Norden Guatemalas in Besitz genommen.
Die drei Passagiere blieben unbeeindruckt von dem unfreundlichen Wetter, während der Pilot, Luis Azurdia, Todesängste ausstand. Aber der Bonus, den seine drei wohlhabenden Kunden ihm versprochen hatten, war zu groß, als dass er hätte ablehnen können. In der Regenzeit war El Mirador auf dem Landweg kaum zu erreichen, die Ausgrabungsstätte war morastig, ständig bestand die Gefahr von Blitzfluten, und es gab kaum Übernachtungsmöglichkeiten. Daher floss der Strom der Touristen nur spärlich und unregelmäßig. Das Geld, das Luis mit diesem Flug verdiente, würde ihn über den Rest der Regenzeit bringen.
Ein zweiter Blitz erfüllte das Cockpit mit gleißendem Licht, und einen Sekundenbruchteil später ertönte der Donnerschlag. Luis schlug das Herz bis zum Hals. Er war noch nie in einem Sturm wie diesem geflogen. Verdammt, wenn es regnete, stornierten die meisten Touristen ihren Flug.
Er warf einen Blick nach hinten auf seine Passagiere und hoffte, sie würden mit Angst in den Augen nervös auf ihren Sitzen herumrutschen. Aber der große Araber hatte die Augen geschlossen und schien zu meditieren. Der hagere Asiate wippte mit
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