Code Delta
dem Kopf zur Musik aus seinen iPod-Ohrhörern. Und die Frau, deren Stirn und glänzende blonde Haare unter einer blauen Bandana verborgen waren, sah mit finsterer Miene einfach aus dem Fenster. Wenigstens sie wirkte so, als wäre sie am liebsten ganz weit weg gewesen.
Was jedoch nicht am Sturm lag.
Queen betrachtete den Dschungel unter sich, dieses endlose Meer aus Bäumen. El Mirador war einer der abgelegensten Flecken Guatemalas, wodurch die alte Mayastadt bis zum Jahr 2003 unberührt geblieben war. Dann hatte ein Team von Archäologen seine Zelte aufgeschlagen und begonnen, die von Vegetation bedeckten Ruinen freizulegen. Aber Queen nahm weder die wilde Schönheit der Landschaft wahr, noch dachte sie an die mysteriöse Ausgrabungsstätte und die potentielle Gefahr, die ihnen dort drohte. Sie war eine halbe Welt weit entfernt.
In Russland.
Bei Rook.
Die Nachricht von der Eliminierung seines Teams hatte sie schwer getroffen. Die Männer waren alle Kameraden und Freunde gewesen. Das Schlimmste war jedoch, dass Rook vermisst wurde. Das verstörte sie. Er war mehr als ein Freund. Sie hatte sich sehr bemüht, ihre Gefühle zu verleugnen, hatte so hart dagegen angekämpft wie gegen die mörderischen, mythischen Kreaturen, mit denen sie es zu tun hatten. Aber jetzt, da Rook möglicherweise tot war, drängten sie an die Oberfläche, und Queen fühlte sich hundeelend.
Sie hatte darum gebeten, von dieser Mission entbunden zu werden, damit sie Rook suchen konnte. Doch Deep Blue persönlich hatte ihr den Wunsch abgeschlagen. Diese Mission hatte Vorrang. Sie wusste, dass Rook das genauso gesehen hätte, aber das löste den Knoten nicht, der sich in ihrem Magen gebildet hatte. Ihn jetzt zu verlieren …
Sie schüttelte den Kopf und zwang sich, nicht daran zu denken. Sie würde ihn finden, wenn das hier vorüber war.
Es deprimierte sie, dass sie alle trotz ihrer Tapferkeit im Kampf nicht den Mut besaßen, über ihre Gefühle zu reden. Seit ihrem Kuss vor einem Jahr hatte sie bei Rook immer ein stummes Unbehagen in ihrer Gegenwart gespürt. Sie sprachen nie darüber, verdrängten es ebenso wie die Härten der Schlacht. Begruben es. Weil sie beide wussten, dass Liebe auf dem Schlachtfeld tödlich sein konnte.
Doch mittlerweile war ihr klar, dass Menschen auf dem Schlachtfeld so oder so starben. Diesmal konnte es Rook getroffen haben; und nichts hätte sich daran geändert, wenn sie eine Liebesbeziehung eingegangen wären. Dann hätte er es bei seinem Tod wenigstens gewusst , dachte sie und zwang sich schließlich zu optimistischeren Gedanken: Ich sage es ihm, sobald ich ihn finde .
Ein Blitz ließ sie die Augen zusammenkneifen und den Blick vom Fenster wenden. Während der Donner über den Helikopter hinwegrollte, sah sie zum Cockpit und merkte, dass Luis sie anstarrte. Er wirkte bleich und verzweifelt.
»Ich … Ist Ihnen der Sturm zu schlimm?«, fragte er hoffnungsvoll.
Sie grinste. »Aber überhaupt nicht.«
Als er die Stirn runzelte, fügte Queen hinzu: »Jetzt haben wir doch schon mehr als die halbe Strecke hinter uns, nicht?«
»Si«, nickte er. »Es ist nicht mehr weit.«
»Dann sind wir ja bald auf dem Boden, und bis wir wieder abfliegen, ist der Sturm höchstwahrscheinlich vorbei.«
Luis dachte einen Moment lang nach, dann lächelte er und nickte. »Sie haben recht.«
Während er die Augen wieder nach vorne richtete, pflückte sich Knight die Ohrhörer heraus. »Nicht mehr weit?«
»Yep«, erwiderte Queen.
»Alles in Ordnung mit dir?«
»Bestens.«
»Sie macht sich Sorgen um Rook«, meinte Bishop mit geschlossenen Augen.
»Wir machen uns alle Sorgen um ihn«, meinte Knight. »Aber …«
Bishop schlug die Augen auf und sah ihn an. »Das ist jetzt nicht dein Ernst?«
Knight zuckte verständnislos die Achseln und hob die offenen Handflächen. »Was meinst du?«
Bishops Antwort bestand darin, dass er die Augenbrauen hochzog.
Nach kurzem Nachdenken begriff Knight endlich. »Wirklich?« Er beugte sich vor und musterte Queen. » Wirklich? Du und Rook?«
Ein winziges Lächeln stahl sich auf Queens Gesicht. Sie knuffte Bishop gegen die Schulter und sagte zu Knight: »Ich will dir wirklich nicht deinen hübschen Kiefer brechen, Zuckerpüppchen, aber ich werde es tun, wenn du auch nur einen Ton sagst, ich schwör’s.«
Knight grinste übers ganze Gesicht, während Luis’ Stimme ertönte. »El Mirador bei drei Uhr.« Er bekreuzigte sich. »Wir haben es geschafft.«
Bishop und Knight beugten sich vor, um
Weitere Kostenlose Bücher