Code Delta
befinden.«
Unter der Erde? Fiona kämpfte mit einer erneuten Welle von Übelkeit, während sie sich umsah. Die Wände gingen nahtlos in den Felsboden über. Wieder verschwamm ihr der Raum vor den Augen, doch sie zwang sich, genauer hinzusehen.
Da waren viele Menschen. In kleinen Gruppen zusammenstehend. Manche schienen sich nach Rassenzugehörigkeit abzusondern. Andere lagen auf Feldbetten und starrten an die Decke – die ebenfalls aus Fels bestand. Der Raum war etwa so groß wie die Cafeteria ihrer Schule vor der Zerstörung der Siletz Reservation.
Plötzlich bemerkte sie einen dumpfen Schmerz an der Hüfte. Sie hob den Hemdsaum an und sah die Insulinpumpe an ihrem Hosenbund. Sie drehte sie herum, so dass sie das digitale Display erkennen konnte, das ihren Zuckerspiegel, den Ladezustand der Batterie und den Insulinvorrat anzeigte. Alles in Ordnung.
»Was ist das?«, fragte Elma.
»Eine Insulinpumpe. Ich bin Diabetikerin.«
»Das ist nicht leicht, vor allem, wenn man so jung ist. Aber ich würde mir darüber keine Sorgen machen«, sagte Elma. »Man kümmert sich hier um die Kranken. Ich bin sicher, du wirst gut versorgt.«
»Ein paar Tage ist sowieso noch alles okay«, sagte Fiona. Wie um es zu beweisen, stand sie auf. Dabei überfiel sie abermals eine Welle von Übelkeit, und sie taumelte. Elma hielt sie fest.
»Langsam, mein Kind, du …«
Fiona riss sich los. »Lassen Sie mich«, sagte sie, und ihre helle Stimme klang dabei fast wie ein Knurren. »Ich schaffe das schon.« Sie wollte so unbeugsam sein wie King, also tat sie das, was sie ihn oft nach einem Langstreckenlauf hatte tun sehen oder wenn er einen harten Schlag eingesteckt hatte. Sie stützte die Hände auf die Knie, ließ den Kopf hängen und atmete in langen und tiefen Zügen. Mit einem lauten Stöhnen richtete sie sich schließlich auf. Sie fühlte sich gestärkt, auch wenn ihr immer noch flau war. Aber das ließ sie sich vor Elma nicht anmerken. Rook hatte ihr erzählt, dass man auf einer Mission oft Schmerz und Leid ertragen musste, um sein Ziel zu erreichen. Das hatte immer so einfach geklungen.
War es aber nicht.
Elma wenigstens schien sie überzeugt zu haben. Fiona schloss die Augen, streckte sich und ließ den kleinen Kopf von einer Seite zur anderen rollen. Als sie die Augen wieder aufschlug, hatte Elma verblüfft die Hand vor den Mund gelegt. »Kindchen, jemanden so Zähes wie dich habe ich hier noch nicht erlebt.«
Das half Fiona, sich auf den Beinen zu halten, obwohl ihr Körper zusammenklappen wollte. Sie schluckte und setzte ein verwegenes King-Lächeln auf. »Ich komme eben nach meinem Vater.«
Elma sah sie groß an. »Und … wer ist dein Vater?«
»Das können Sie ihn selbst fragen, wenn er …« Fiona taumelte nach vorne und übergab sich auf das Fußende ihres Feldbetts. Nach drei Konvulsionen und einem Hustenanfall spuckte sie den galligen Geschmack aus und richtete sich mit Tränen in den Augen wieder auf. Elma nahm sie in die Arme, und Fionas Schutzwall brach. »Doch nicht so zäh«, meinte sie kläglich.
»Blödsinn«, meinte Elma und strich Fiona über das glatte schwarze Haar. »Ein paar von den Leuten haben tagelang geheult. Manche haben nie damit aufgehört.«
Fiona blickte zu ihr hoch. »Wie lange sind Sie denn schon hier?«
»Drei Monate.« Sie deutete auf die verschiedenen Gruppen im Raum, von denen einige zu ihnen hersahen. »Manche sind Neuankömmlinge wie du. Andere sind schon seit einem Jahr hier.«
Fiona sackte entsetzt in Elmas Umarmung zusammen. »Ein Jahr ?«
»Wir werden gut versorgt«, sagte Elma. »Schau, da«, sie deutete auf eine Tür am entfernten Ende des Raums, die Fiona bei ihrem benommenen Rundblick entgangen war. »Wir bekommen dreimal am Tag zu essen. Und das Essen ist nicht schlecht.« Sie zeigte zur anderen Seite, wo mehrere herabhängende Tücher den Raum unterteilten. »Es gibt eine Toilette mit funktionierender Spülung und eine Dusche. Das Wasser ist kalt, aber es ist schön, sauber zu sein. Sogar die Beleuchtung wurde sorgfältig ausgewählt.«
Fiona sah nach oben, wo im Abstand von drei Metern gleichmäßig Lampen über die ganze Decke verteilt waren.
»Es sind Tageslichtlampen, die dem Sonnenlicht ähneln, ein gewisser Ausgleich dafür, dass wir nicht ins Freie können. Es ist kein Ersatz, aber besser als normales Neonlicht.«
»Warum sind wir denn hier?«
Elma zuckte die Achseln. »Das wissen wir nicht. Aber unsere Kidnapper wollen uns nichts Böses.«
»Noch nicht«,
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