Code Delta
»Kopf runter, macht schnell und versucht, euch nicht erschießen zu lassen.« Sie schloss den Befehl mit einem teuflischen Grinsen, das ihren Leuten gleichzeitig Angst und Zuversicht einflößte. Queen war verrückt, aber sie hatte Erfolg damit. Und das verlieh dem Team ein geradezu übernatürliches Selbstvertrauen.
Tief geduckt huschten sie über die Straße. Da die Drogenhändler sich ganz auf den oberen Teil des Dorfes konzentrierten und die Deltas in der Dunkelheit fast unsichtbar waren, blieben sie unbemerkt.
Bis einer von der Bande seine Waffe nachladen wollte und sich dabei umwandte.
Er fing sich eine schallgedämpfte Kugel in die Stirn ein, mit freundlicher Empfehlung von Queen. Noch bevor er auf dem Asphalt zusammengesackte, verschluckte die Dunkelheit das Team. Zwei Minuten später führte Queen ihre Leute durch den Urwald. Nach weiteren fünfzehn Minuten flogen sie dicht über dem Dschungeldach nach Norden und fragten sich, in welche Hölle der Rest des Schachteams wohl hineingeraten war.
36 Rom, Italien
»Warum fangen wir nicht mit dem an, was Sie wissen«, schlug Alexander vor, während er King und Pierce in eine große, kreisrunde Kammer führte. Der Raum maß fünfzehn Meter im Durchmesser, besaß drei überwölbte Ausgänge, indirekte Beleuchtung, und seine lohfarbenen Wände und der Boden waren auf Hochglanz poliert.
Doch es war nicht das edle Ambiente, das King und Pierce beeindruckte, sondern die Kunstsammlung, die die Kammer beherbergte. Wie in einem Museum reihten sich Glasvitrinen aneinander, Podeste mit gläsernen Kuppeln und selbst ein paar ausgezeichnet erhaltene Statuen. King erkannte einige sicherheitstechnische Finessen, die man sonst nur in den großen Museen fand – Überwachungskameras, Infrarot- und Ultraschallsensoren, Bewegungsmelder. Er musterte den Eingang, durch den sie gekommen waren, und entdeckte mehrere runde, im Boden und in der Wölbung des Bogens versenkte Stahlstangen. Für den Fall eines Diebstahlsversuchs konnte der Raum, der eher einer Tresorkammer glich, hermetisch abgeriegelt werden.
King dachte über Alexanders Frage nach, während Pierce fasziniert von einem Ausstellungsstück zum anderen schlenderte. »Wir wissen, dass es sich um eine Art von Golems handelt«, meinte er zögernd. Der Gedanke, dass sie tatsächlich gegen Golems kämpften, kam ihm immer noch reichlich absurd vor.
Alexander hingegen schien sich nicht daran zu stören. Er setzte sich auf einen uralten Stuhl aus massivem Holz. Die lederne Rückenlehne und das Sitzpolster waren abgeschabt und rissig. »Sprechen Sie weiter.«
»Golems sind ein Teil der jüdischen Überlieferung. Sie werden durch das Wort ›Emet‹ zum Leben erweckt, wohingegen ›met‹ sie zerstört. Alle unbelebten Objekte können animiert werden, vorzuziehen ist jedoch Lehm.«
Alexander blickte King erwartungsvoll an und zog die Augenbrauen hoch, als der Führer des Schachteams nichts mehr hinzufügte. »Das ist alles?«
Pierce warf dazwischen: »Sind das Apfelkerne?« Er beugte sich über ein Podest und spähte durch die schützende Glaskuppel.
»Allerdings«, erwiderte Alexander.
Atemlos fragte Pierce: »Doch nicht etwa aus dem Garten der Hesperiden?«
»Doch. Und um Ihrer Frage zuvorzukommen: Sie haben große Heilkräfte, aber sie machen nicht unsterblich.«
Pierce murmelte aufgeregt vor sich hin, während er seine Wanderung durch den Raum fortsetzte.
»Was gibt es noch?«, fragte King. »Was wissen wir alles nicht ?«
»Eine Menge«, antwortete Alexander. »Die Berichte über Rabbis, die die Kraft der Worte nutzen, um Golems zum Leben zu erwecken, beziehen sich nur auf die eher neuzeitliche Anwendung einer sehr, sehr alten Macht. Es geht hier um etwas, das unsere Welt fast vollständig vergessen hat und das nur noch in einigen uralten Sprachen verborgen liegt. Die Fähigkeit, aus Unbelebtem Leben zu schaffen, ist die verbreitetste Anwendungsform dieser Macht und lässt sich leicht durch die Geschichte verfolgen – aber sie ist nur ein Bruchteil von etwas viel Gewaltigerem.
Im sechzehnten Jahrhundert, so heißt es, erweckte Jehuda ben Bezal’el Löw, ein Rabbi aus Prag, einen Golem zum Leben, um seine Gemeinde vor dem Heiligen Römischen Reich zu schützen, welches dekretiert hatte, dass alle Juden vertrieben oder getötet werden sollten. Das ist die Geschichte, die Sie kennen, ja?«
King nickte.
»Entweder hatten ihn seine Vorgänger diese Fähigkeit gelehrt, oder der Rabbi stieß in einem alten Text
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