Code Delta
Gebäuden und grünen Bäumen. Doch kein einziger Student war zu sehen. Wie Vampire von Blut waren die meisten von einem wissenschaftlichen Symposium angelockt worden, das am anderen Ende des Campus stattfand.
King stellte fest, dass Alexander auch mit dem Universitätsgelände vertraut war, und kommentierte: »Sie waren schon einmal hier?«
»Ich habe hier sogar studiert«, erwiderte Alexander.
»Bei Davidson?«
»Nein, der muss damals noch ein Kind gewesen sein.« Er hielt King die Tür des Fakultätsgebäudes auf und ließ ihm den Vortritt. Eine Frau am Empfang begrüßte sie.
Alexander trat lächelnd näher und zeigte ihr seinen Ausweis, der im Handschuhfach des Mercedes bereitgelegen hatte. Er wies ihn als Professor der medizinischen Abteilung aus. »Ich suche Professor Davidson«, sagte er auf Hebräisch.
Die Frau erwiderte sein Lächeln und deutete zum Aufzug. »Fünfter Stock. Gehen Sie nach rechts. Dann die zweite Tür links.«
»Danke«, erwiderte Alexander.
Eine halbe Minute später erreichten sie den fünften Stock. Davidsons Tür stand offen. Sie sahen, dass der Mann mit dem Rücken zur Tür telefonierte. King klopfte zweimal an und trat dann ein, gefolgt von Alexander, der die Tür hinter sich zuzog.
Amzi Davidson, in einem leuchtend gelben Hemd mit bis zu den Ellenbogen hochgekrempelten Ärmeln, bedeutete ihnen mit erhobenem Finger, dass er gleich zur Verfügung stehen würde. Die einzigen Möbel waren ein kleiner Schreibtisch, ein Bücherregal auf jeder Seite der Tür und zwei Metallstühle. Ein großes Fenster zeigte auf den Campus und eröffnete den Blick auf eine moderne Skulptur, die wie eine Art Metallobelisk aussah. Zwei riesige weiße Tafeln nahmen die beiden anderen Wände des Zimmers ein. Sie waren mit vielfarbigen Notizen in Hebräisch, Gleichungen und Zeichnungen übersät. Durch häufiges Verwischen, ohne tatsächlich abgewaschen zu werden, sahen sie graufleckig aus.
Davidson legte auf und ließ seinen Drehstuhl mit einem Lächeln zu ihnen herumwirbeln. Seine grauen Augen, verkleinert durch eine dicke Brille, leuchteten erwartungsvoll. Doch das strahlende Lächeln erlosch, als er seine Besucher musterte. Er kniff die Augen zusammen. »Sie sind nicht von der medizinischen Fakultät«, stellte er auf Hebräisch fest.
»Nein, sind wir nicht«, erwiderte Alexander in derselben Sprache. »Könnten wir meinem Freund zuliebe Englisch sprechen?«
Davidson warf King einen Blick zu. »Sicher«, sagte er in perfektem Englisch, und sein Gesicht leuchtete wieder auf. »Sie sind von der Presse?«
»Ich fürchte, nein«, antwortete King.
Der Enthusiasmus des Mannes erlosch. »Worum geht es dann?«
Alexander setzte sich und kam sofort zur Sache. »Golems.«
Davidson lehnte sich langsam zurück. Ein Stift tauchte in seiner Hand auf, und er steckte ihn zwischen die Zähne. »Zu welchem Zweck? Geht es um die Theorie?«
»Anwendung in der realen Welt«, erwiderte Alexander.
Davidson nahm den Stift aus dem Mund. »Nun, ich fürchte, das geschriebene Wort ist zwar mächtig, aber so mächtig auch wieder nicht. Es kann kein Leben einhauchen.«
»Und wie steht es mit dem gesprochenen Wort?«, fragte King.
Ein Lächeln tauchte auf Davidsons Gesicht auf. »Dann wollen Sie also die Meinung eines Physikers und Ex-Rabbis hören?«
Kings und Alexanders Schweigen genügte als Antwort. Davidson sah auf die Uhr. »Also gut. Ich habe noch ein paar Minuten Zeit. Aber ich muss Sie warnen, erwarten Sie keine zwei unterschiedlichen Theorien. Meine Forschungen in Religion und Physik haben zu demselben Resultat geführt.«
»Darum sind wir hier«, sagte Alexander.
»Dann lassen Sie uns ganz am Anfang beginnen. Bei der Urknalltheorie. Sie versucht, eine Antwort darauf zu geben, wie das Universum entstand, aber sie beantwortet die wichtigere Frage nicht: Warum existiert es? Deshalb handelt es sich bei der Theorie um ein leeres mathematisches Modell. Sie behauptet, dass alles aus nichts entstanden sei, ex nihilo , und weiterhin, dass das Universum einen Anfang habe. Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit: nämlich, dass das Universum immer existiert hat.«
Davidson stand auf und wischte einen Teil der weißen Tafel mit dem Hemdsärmel. Er schrieb eine Gleichung hin: 0 = 0 + 0 + 0 + 0 + 0 …
»Dies ist die mathematische Aussage, die zeigt, dass der Urknall unmöglich ist. Die Summe von nichts ist nichts!«
Er löschte einige der Pluszeichen und ersetzte sie durch ein Minus: 0 = 0 – 0 + 0 – 0 + 0 –
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