Codename Azteke
und sein Kind. Er hatte das Gefühl, Argentinien habe seine Familie betrogen und ihrer Träume beraubt. Jetzt wollte er es dem Land mit gleicher Münze heimzahlen.
Seine Eltern waren bereits vorausgereist. Da sie Zugang zu Luis’ Vermögen hatten, hatten sie nach den sorgfältigen Instruktionen ihres Sohnes begonnen, in ihrer Heimatprovinz Valencia Orangenplantagen zu kaufen. Sie bauten eine Marke auf und fügten ihr bald ihre eigenen Transportmittel hinzu. Wenn Luis und seine Familie nach Spanien kamen, würde die Familie in genau der Gegend, aus der sie ursprünglich stammte, gut etabliert sein.
Allerdings war es nicht so einfach, zu diesem Zeitpunkt die Armee zu verlassen. Ein Offizier im Dienst – und besonders
einer mit solch sensiblen Kenntnissen – konnte nicht einfach gehen. Mitten in einem blutigen Krieg gegen die Subversiven zu kündigen, wäre zumindest äußerst verdächtig gewesen. Und Vilanovas entscheidende Rolle bei der Verwaltung der Finanzen der Generäle machte es ihm nahezu unmöglich, den Dienst zu quittieren.
Und persönlich musste er Susanas Wünsche berücksichtigen. Sie war durch und durch Argentinierin. Im Ausland zu leben wäre für sie ein Ding der Unmöglichkeit. Niemals würde sie ihr Land, ihre Freunde und ihre Vorzeigewohnung in der Avenida del Libertador verlassen.
Also beseitigte Luis beide Hindernisse mit einem einzigen Geniestreich. Monatelang beklagte er sich darüber, dass er müde sei. Er bemühte sich, mit erschreckender Regelmäßigkeit zu spät zur Arbeit zu kommen, schützte zwei Mal Krankheit vor und ging früher nach Hause, obwohl Stabsoffiziere anwesend waren.
Am folgenden Freitag hatte er einen Termin beim Stabsarzt im Militärhospital. Er konstatierte einen schweren Herzfehler und wurde von einem Kardiologen bestätigt. Luis Vilanova würde um seine Frühpensionierung bitten, die ihm sicherlich auch gewährt werden würde. Er würde seine volle Pension bekommen. Dann konnte er seinem Nachfolger seine Arbeit ordentlich übergeben und in Begleitung seiner Familie zu einem Besuch seiner Eltern in Valencia mit unbestimmter Dauer aufbrechen.
Die Wohnung, so versprach er seiner Frau, würde weder vermietet noch verkauft werden. Sie war ihr Zuhause und würde, so wie sie war, auf ihre Rückkehr warten.
Die Ärzte teilten sich hunderttausend Dollar für ihre Bemühungen. Luis fand, dass es ein geringer Preis war.
Hätte er gewusst, dass General Videla nur noch ein knappes Jahr an der Macht sein würde, kurz von General Viola abgelöst werden sollte, und dieser wiederum von General Galtieri, der seine eigenen Vorstellungen von der Lösung der politischen und ökonomischen Probleme Argentiniens mit ins Amt bringen und dabei das Land wieder einmal bettelarm machen würde, hätte er sicherlich noch wesentlich mehr gezahlt.
Luis Vilanova sollte nie mehr nach Argentinien zurückkehren. Susana besuchte ihre alte Heimat gelegentlich, aber erst nach fünfzehn Jahren.
2004
34
Als der Juli kam, ging Mercedes in der Wohnung umher und packte für die Sommerferien. Ihre eigene Zeit an der Universität näherte sich dem Ende, aber sie hatte es nicht eilig zu entscheiden, was sie als Nächstes tun sollte.
Sie war immer noch traurig über den Tod von Rosa Uribe, obwohl sie kaum verstehen konnte, wie jemand, den sie nur so kurz gekannt hatte, einen derart tiefen Eindruck auf sie hatte machen können.
Rosas Beerdigung hatte in La Almueda stattgefunden, der Kathedrale von Santa María la Reál, in der Nähe des Königspalastes und keine fünfhundert Meter von der Ostseite des Casa de Campo entfernt.
Zwischen der Kathedrale und dem früheren königlichen Jagdgebiet floss der Manzanares ungehindert, während in der Guadarrama die letzten Reste von Schnee und Eis schmolzen.
In der Kirche hörte, wie Ramiro de la Serna es ausdrückte, Todo Madrid mit feuchten Augen zu, als Kardinal Paredes de Orfila die Grabrede hielt.
»Dieses Kind«, erzählte er der Gemeinde, »habe ich vor dem Taufbecken in der Krypta dieser Kirche in den Armen gehalten.«
In der ersten Reihe saßen der Prinz und die Prinzessin
von Asturien, zusammen mit Máximo Uribe und Rosas tief trauernden Eltern. Tanten und Cousins, einschließlich Ramiro, saßen hinter ihnen. Auf der anderen Seite saß, mit angemessen betrübtem Gesicht, der spanische Außenminister zwischen dem Handelsminister und dem Vertreter des Ministerpräsidenten.
Victoria Pinto, die neben ihrem Mann saß, war immer noch geschockt über den Tod
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