Codename Azteke
nicht mal etwas zu essen geben?«
Es war das letzte Mal, dass sie einander sahen. Mercer kehrte ein paar Tage später nach Spanien zurück und starb im darauffolgenden Jahr kurz vor Weihnachten in Madrid, im Bett, im Kreise seiner Familie.
Es sollten noch einige Jahre vergehen, bis Pinto etwas hatte, um das Florin handeln würde. Doch als es schließlich so weit war, sollte der Azteke das wichtigste Spionagespiel seines Lebens spielen.
Der kleine, fast vergessene Informationsfetzen tauchte in Sierras enzyklopädischem Gedächtnis auf wie eine sorgfältig markierte Buchseite, die darauf wartete, dass man sie aufschlug.
Pinto war eine Macht, mit der man heutzutage rechnen musste, und er war einst völlig besessen gewesen von dem verschwundenen Gold. Die Spanierin? War sie nur aus der Wirtschaft, oder war das eine Tarnung für ihre schmutzige CNI-Arbeit?
Und warum Hadley? Wenn diese Goldmünze in der Brieftasche des Professors reiner Zufall ist, dann will ich nicht Aquiles Sierra heißen, sagte sich der kubanische Sicherheitschef.
Bestand eine Verbindung zwischen Pinto und Hadley? Und wenn ja, wusste Florin davon? Oder – noch besser – war er ein Mitverschwörer?
Sierra hatte keine Lust, mit seinen Vermutungen bis zur Spitze der kubanischen Kommandokette zu gehen. Andererseits hatte er auch nicht die Absicht, einfach nur zuzusehen und mit der Zeit herauszufinden, ob er recht hatte oder nicht.
Wenn etwas von dem Gold noch irgendwo herumlag, dann würde das der perfekte Pensionsfonds für Sierra sein, falls er gezwungen sein sollte, seinen Lebensabend in Acapulco oder Punta del Este zu verbringen.
Doch es war nicht nur eine Frage des Geldes: Sierra hatte
eine persönliche Fehde mit Florin. Es war die Arroganz des Mannes, die ihn ärgerte, die Weigerung des Azteken, sich dem Leiter der Inneren Sicherheit zu beugen, und dass er ihn stets geflissentlich überging und direkt mit seinen eigenen Kontakten in aller Welt verhandelte – als ob Sierras Büro und seine Autorität überhaupt nicht existierten.
Sierra sah, dass Florin ein globaler Akteur war, ein Mann, der sich in Kuba niedergelassen hatte, als es ihm gerade passte. Er konnte nach Belieben Russe oder Mexikaner sein und hatte, wie Sierra fest glaubte, selbst nach all den Jahren, die er sich ganz der Sache des Volkes hingegeben hatte, nie völlig seine aristokratischen Wurzeln und seine Überheblichkeit abgelegt.
Er hatte in Spanien und Russland ebenso gekämpft wie in Afrika und Lateinamerika, hatte ein unmögliches Utopia verfolgt, das größer war als alle Nationen, eine Sache, die nie in Frage gestellt werden sollte und die nie unrecht sein konnte.
Nach der Revolution war er auf Kuba nach Belieben ein- und ausgegangen, und obwohl er keine Regierungsposition innehatte, hatte er alle Vorzüge eines hohen Postens genossen, ohne die dazugehörige Verantwortung übernehmen zu müssen.
Nichts würde Sierra mehr Befriedigung verschaffen, als den Azteken zu entlarven, seinen versteckten Goldschatz zu finden und ihn als Schwindler zu enttarnen, der vor den Augen der staunenden Welt in vorgetäuschter Armut lebte, während er in Wirklichkeit immer noch die ganze Welt durch die Unabhängigkeit, die er sich mit seinem gestohlenen Reichtum erworben hatte, manipulierte.
Nach dem Fiasko mit den Wanzen hatte Sierra Florins
Personal genau unter die Lupe genommen. Es gab einige Hinweise, dass die Krankenschwester, Mercado, möglicherweise zu Beginn direkt an Castro Berichte lieferte. Aber er konnte sich nicht sicher sein, dass das immer noch der Fall war. Ganz im Gegenteil, im Laufe der letzten zehn Jahre schien sie eine so enge Bindung zu Florin aufgebaut zu haben, dass Sierra bezweifelte, ob selbst ihr Onkel sie dazu bringen könnte, Florin zu verraten.
Truenos war Soldat, und Florin war General. Wenn Sierra nichts fand, womit er den Sergeanten erpressen konnte, konnte er ihn auf keinen Fall in seinen Dienst bringen. Und alle anderen kubanischen Freunde von Florin waren im Großen und Ganzen Soldaten, die alt und misstrauisch gegenüber ehrgeizigen jüngeren Männern waren.
Dennoch, überlegte Sierra, während er sich eine Zigarre anzündete, der Ausdruck »unantastbar« existierte in seinem Wortschatz nicht. Wenn man weiß, was man nicht tun kann, hat man die halbe Schlacht schon gewonnen. Es wird Zeit, sich dem zuzuwenden, was man tun kann , schloss er.
Er verfügte über ein weltweites, heimliches Netzwerk, und das würde er zu seinem eigenen Vorteil
Weitere Kostenlose Bücher