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Codename Hélène

Codename Hélène

Titel: Codename Hélène Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Juergs
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die BBC an subversiven Aktionen gegen die Besatzungsmacht und ihre Vasallen in Vichy anregte, befolgten sie. So etwa anlässlich des 14 . Juli 1942 , des Nationalfeiertags. Da demonstrierten Tausende auf der Canebière, dem großen Boulevard, gegen die Deutschen und gleichzeitig gegen die Regierung Pétain auf listige Weise als scheinbar ganz normale Spaziergänger, die einen Sommertag genießen wollten. Festlich gekleidet. Kinder an der Hand. Französische Familienidylle. Aufgerufen zu dieser unangreifbaren Art von Protest hatte die Stimme des »Freien Frankreich« via BBC . Die Polizei war hilflos. Mit welcher Begründung sollten sie harmlose Passanten verhaften? Vergebens verlangten die Deutschen eine harte Reaktion der Staatsmacht. Auf ihre Art durften sie noch nicht eingreifen. Aber der Protest wirkte. Selbst die siegestrunkenen Fridolins blieben am Nationalfeiertag dem Hôtel du Louvre fern.
    Es war jedoch mehr als einfach nur die kurzfristige Demonstration französischer Pétain-Gegner. Die hielt das Regime immer noch für eine Minderheit. Nun zeigten wahre Patrioten, wie viele sie doch mittlerweile waren und dass ihnen als Bürgerrecht die Freiheit wichtiger war als die von Vichy verordnete Bürgerpflicht zur Ruhe. Eine weitere gute Anregung der BBC befolgten deshalb nicht nur Erwachsene, sondern sogar Schulkinder. Da die Deutschen bestimmt nicht wussten, dass Sicherheitsnadeln in der französischen Alltagssprache als épingles anglaises bezeichnet wurden, steckten sich erneut Tausende Tag für Tag Sicherheitsnadeln ans Revers oder an den Hut oder an den Ranzen, was wie die Spaziergang-Demonstrationen niemand verbieten konnte, und sorgten dafür, dass die Boches erfuhren, was mit diesem Symbol in Wahrheit gemeint war: Solidarität mit England.
    Im Fort Saint-Jean wird das Verbot, BBC zu hören, das sonst im Lande niemand ernst nahm, weil es schlichtweg durch die Polizei nicht durchzusetzen war, natürlich eingehalten. Die internierten Briten brauchen deshalb dringend ein Radiogerät, das sie in einer Zelle verstecken können, um sich über die Gefechtslage auf den Kriegsschauplätzen Europas informieren, um die Nachrichten der BBC hören zu können. Die beginnen immer mit den ersten Takten aus der 5 . Symphonie von Beethoven. Der zählt zu den guten Deutschen.
    Ob dear Nancy ihnen eines besorgen könne, will der Engländer in der Bar wissen. Sie schaut fragend ihren Mann an. Henri Fiocca nickt. Und Zigaretten? Er habe, was ihm höchst peinlich sei, kaum noch Geld. Wieder nickt Monsieur Fiocca und lädt den Fremden noch zu einem Drink ein, diesmal zu einem Pastis. Danach muss der sich auf den Weg machen. Bei Einbruch der Dunkelheit endet regelmäßig sein Freigang. Schon am nächsten Vormittag wollen sie sich aber zur Übergabe des Radioapparates im Restaurant »Basso« treffen, da würden sie ungestört sein.
    Der Brite brachte zwei Kameraden mit, die ihm helfen sollten, den Apparat zu transportieren, den sie in Einzelteile zerlegt ins Fort schmuggeln wollen. Zigaretten und eine Flasche Cognac aus dem Vorratskeller von Fiocca steckten sie dankbar ein. Einer von beiden, etwa im Alter von Nancys Ehemann, gestatten: Leslie Wilkins, letzter Dienstgrad Captain, sprach fast akzentfreies Französisch. Erstaunlich für einen Engländer. In den folgenden Wochen begleitete er Nancy Fiocca bei ihren Einkäufen in Marseille, aber nicht nur, um ihr die schweren Taschen zu tragen, sondern auch, um die Stadt besser kennenzulernen. Er war entschlossen, möglichst bald abzuhauen und im alten Hafenviertel unterzutauchen. Zum Verstecken ein ideales Areal mit Gassen, Hinterhöfen, Weinkellern. Für flüchtige Briten, für die Unterwelt, für französische Widerstandskämpfer.
    Das wussten zwar auch die Deutschen durch ihre Geheimagenten vor Ort, von denen einige unter den Fridolins saßen, doch noch konnten sie nicht auf ihre besondere Art dagegen vorgehen. Das machten sie dann Ende Januar 1943 , wenige Monate, nachdem sie auch das bis dahin als frei geltende Frankreich besetzt hatten. Fast die gesamte Altstadt von Marseille sprengten Einheiten der SS dann in die Luft.
    Nancy und Henri Fiocca verändern in den nächsten Wochen die sichtbaren Gewohnheiten von Leslie Wilkins. Wer beispielsweise Bier trinke in einem Café, erklären sie ihm, werde entweder für einen deutschen Spitzel gehalten, schlimm genug, oder aber als verdächtiger Engländer bei der Polizei denunziert. Pastis dagegen trinken nur Franzosen. Und er spreche doch

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