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Codename Hélène

Codename Hélène

Titel: Codename Hélène Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Juergs
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Konzentrationslager Natzweiler-Struthof, wohin viele der entführten Franzosen hingeschafft wurden, wird ihrer mit den Worten eines Überlebenden gedacht:
    »Hier, wo bereits wenige Quadratmeter getränkt sind mit unserem Blut und, warum sollte man es nicht zugeben: mit unseren Tränen, waren wir am tiefsten Grund des menschlichen Elends angekommen. Aber gleichfalls war es hier, am Abgrund der Verzweiflung, dass uns wärmende Freundschaft, Brüderlichkeit, Solidarität, zusammenhalten ließen, Franzosen, Kommunisten oder Gaullisten, alle gemeinsam Terroristen, wie uns die SS nannte, alle von uns NN ,dazu verdammt, im Nebel und in der Nacht zu verschwinden, dass wir die Kraft fanden, um zu überleben […]«
    Die Schattenkrieger der Résistance, auch die Mitglieder des Marseiller Netzwerks wie Nancy Fiocca, machten sich nie Illusionen darüber, was mit ihnen geschehen würde, falls man sie erwischte: Todesstrafe oder Deportation in ein Konzentrationslager. Sie und ihre Mitstreiter waren aber nicht nur überzeugt von dem, was sie taten, sondern sich stets auch der Konsequenzen bewusst. Ihre Taten könnten sie das Leben kosten. Der Preis war hoch, aber ihnen nicht zu hoch. Frei leben oder sterben – das Motto der Résistance und des Maquis passte zu ihr, traf zu auf sie.
    Anfangs war dieRésistance ein zartes Pflänzchen, erblüht vor allem in der Metropole Paris, wo die Boches mit ihren verfluchten Hakenkreuzfahnen statt der geliebten Trikolore an allen öffentlichen Gebäuden und auf der Spitze des Eiffelturms, mit einer Parade jeden Tag Punkt 12 . 30 Uhr durch den Arc de Triomphe die Champs-Élysées hinunter die Besiegten zusätzlich demütigten.
    Pétains Parolen von der Notwendigkeit einer nationalen Revolution und einer Kollaboration mit den Deutschen weckten langsam den Protest der anscheinend ohnmächtig in Resignation Erstarrten. Die Résistance begann in Form zu kommen. Zunächst mit einfach in konkrete Taten umsetzbaren Ideen, geboren im Kreise von Freunden, die einander vertrauten: Flugblätter verfassen, zu deren Autoren unter anderen dann mal Dichter wie Jean-Paul Sartre gehörten, in geheimen Druckereien vervielfältigen und an öffentlichen Plätzen und in der Metro deponieren, Reifen von Wehrmachtsfahrzeugen zerstechen oder Straßenverkehrszeichen in fasche Richtungen drehen. An den Universitäten halfen sich in stillschweigender Übereinstimmung Professoren und Studenten beim Verfassen und Verteilen der Aufrufe zum Widerstand. Substanziell waren das alles gegen die militärische Dominanz der Sieger nur Nadelstiche, für die Moral der Besiegten jedoch so wesentlich wie jeder später geglückte Anschlag.
    Gegenmaßnahmen wie nächtliche Ausgangssperren oder hohe Gefängnisstrafen für die in Aktion festgenommenen Verteiler von Flugblättern stärkten die Pflanze Résistance sogar, statt sie zu schwächen. Im Dickicht der Städte gab es unter dem Pflaster ausreichend Biotope, um Wurzeln zu schlagen. Bald blühten viele Pflanzen. Die eigentliche Gefahr ging eher aus von französischen Verrätern. Concierges verdienten sich bei Gelegenheit denunzierend etwas dazu und meldeten Verdächtiges und Verdächtige bei der Gendarmerie, die mit der SS gemeinsame Sache machte. Hohe Belohnungen wurden ausgelobt. Geld spielte ja keine Rolle für die. Die Deutschen mussten oft aber nicht mal Kopfgeld versprechen, viele Franzosen – zu viele – übergaben ihnen ihre Mitbürger zur weiteren Behandlung umsonst. Es wurden alte Rechnungen beglichen.
    Wie in jedem anderen von Nazis besetzten oder freiwillig sich ihnen hingebenden Land krochen Ratten aus den Kellerlöchern der Gesellschaft, denen bisher aufgrund fehlender Eigenschaften oder mangelnder Fähigkeiten – Ärzte, Rechtsanwälte, Schauspieler – der Aufstieg in die Belles Etages versagt war. Sie entledigten sich auf bequeme Weise, und wie sie annahmen: für immer, ihrer Konkurrenz, indem sie die anzeigten. Am liebsten anonym.
    Auf großen Zulauf unter der Bevölkerung durften die wahren Patrioten noch nicht hoffen. Das autoritäre Gegenmodell zum freien Frankreich, das Pétain verkörperte, war populär und wurde unterstützt von der Mehrheit, weil es die Rückkehr zu den angeblich verschütteten wahren Werten der Nation versprach. Selbst die Deutschen im Norden entsprachen augenscheinlich nicht dem Bild vom brutalen Herrenmenschen, das zuvor in der freien Presse von ihnen gezeichnet worden war. Viele Offiziere sprachen die Sprache der Besiegten, wussten sich

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