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Codename Hélène

Codename Hélène

Titel: Codename Hélène Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Juergs
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jener Zeit geht noch weiter: Schurken der allerschlimmsten Sorte, auf allertiefstem Niveau waren die Blauen. Unter ihnen auch Zuhälter aus Bordeaux oder Marseille oder Paris, die es vorzogen, in der Milice frei morden zu können, anstatt zwangsverpflichtet in Deutschland arbeiten zu müssen.
    Zu viele von denen kamen nach dem Krieg ungestraft davon, obwohl sie so viele ihrer Landsleute totgeschlagen oder per Genickschuss getötet oder den Deutschen ans Messer geliefert hatten. Aimé-Joseph Darnand, zuletzt Vichy-Innenminister im Rang eines SS -Sturmbannführers, wurde nach der Befreiung als einer der ersten Kollaborateure des Vichy-Regimes zum Tode verurteilt und im Oktober 1945 hingerichtet.
    Flüchtlinge werden deshalb nicht nur von der SS gejagt, sondern auch von der Milice . Die Blauen Teufel bekommen zwar bereits einen höheren Sold als normale Polizisten, aber da bei den Gejagten auch britische Piloten dabei sind, ebenjene acht, die seit ihrem Gefängnisausbruch gesucht werden, geht es um ganz andere Summen. Falls sie alle erwischen, ergibt das ein Kopfgeld von acht Millionen. Und die »Weiße Maus«? Ist sie dabei? Ist es Nancy Fiocca? Allein für deren Festnahme sind fünf Millionen ausgelobt.
    Pierre Laval hat bestimmt nie erfahren, dass ausgerechnet er benutzt worden war, um genau diese Frau vor dem Zugriff seiner Freunde von der Gestapo zu retten. Deutsche mussten inzwischen den französischen Ministerpräsidenten vor Franzosen schützen. In einem Diensttelegramm an Oberg aus Berlin hieß es: »Der Herr Reichsaußenminister teilt mit, daß ihm aus sicherer Quelle bekannt geworden ist, daß von französischer Seite eine Liquidierung Lavals geplant ist. Nähere Einzelheiten wurden bisher vom AA noch nicht mitgeteilt. Der Herr RAM wünscht, dass Sie [Oberg, Anm. d. Verf.] sofort gemeinsam mit Gesandten Schleier bei Ministerpräsident Laval vorsprechen und ihn von dieser Bedrohung in Kenntnis setzen sowie geeignete Sicherungsmaßnahmen mit ihm besprechen. Vollzug ähnlich wie bei Pétain.« Und um zu betonen, wie wichtig den Deutschen ihr treuer Kumpan Laval ist, schrieb am 27 . April 1943 Außenminister von Ribbentrop zum Thema Schutzmaßnahmen noch einen Brief an Obergs Chef: »Lieber Himmler […] der Führer, mit dem ich hierüber soeben gesprochen habe, teilt ganz diese Auffassung. Er möchte, daß wir Laval durch unsere Leute jetzt dauernd schützen. Heil Hitler. Dein Ribbentrop.«
    Ende April ist Lucienne Suzanne Carlier in Nizza. Sie hält sich, zusammen mit zwei Briten und zwei Amerikanern, in einem Safe House versteckt. Weil Pat verhaftet ist, fehlen die nötigen Informationen für die Flucht. Zwar hat sie die Adresse und den Namen eines bewährten Fluchthelfers in Nizza, aber die verabredeten Losungswörter kannte nur O’Leary. Worauf sollten sie dann noch warten? Sie entschließt sich wieder mal, wie schon beim Transport des Schweins, ihrem Instinkt vertrauend, bei dem Mann einfach an der Tür zu klingeln. Selbst auf die Gefahr hin, dass er sie für einen Lockvogel der Gestapo hält und schießt, statt sie hereinzubitten. Wenigstens sieht sie nicht wie eine Agentin aus: Verdreckt, weil sie seit Wochen die Kleider nicht wechseln konnte, sich stets kratzend wegen der juckenden Krätze, die sie sich an den nächtlichen Schlafstellen eingefangen hatte, abgemagert nach der unfreiwilligen Fastenkur bei der Verfolgung durch die Deutschen. Sie gewinnt das Vabanquespiel, sagt ihm, wer sie ist und dass Pat verhaftet ist und dass sie und die anderen Flüchtigen dringend einen Führer brauchen, der sie über die Pyrenäen in Sicherheit bringt.
    Den will er besorgen. Einen Spanier. Aber erst einmal bietet er ihr jetzt nach dem Schrecken einen Cognac an. Bei Angeboten dieser Art sagte Nancy Wake nie Nein, egal, welcher Name gerade in ihrem Pass stand und wo sie sich gerade befand.
    In Perpignan, wo eigentlich die Fahrt Richtung Grenze beginnen soll, erkennt Lucienne Suzanne Carlier gerade noch rechtzeitig in einem Polizisten, der auf sie zukommt, den Beamten, der sie Wochen zuvor in Toulouse verhört hatte. Schnell entschlossen reißt sie einen der beiden Briten an sich, der gar nicht weiß, wie ihm geschieht, umarmt und küsst ihn leidenschaftlich. Achtet aber darauf, dass ein Teil ihres Gesichts von Haaren verborgen wird, der andere Teil von ihrer Hand, mit der sie den Kopf des Mannes festhält, als wäre um sie herum die Welt versunken und nur noch sie beide und dieser Moment wichtig. Der Auftritt gelingt.

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