Codename Merlin - 3
irgendwelche Truppen an Land schaffen will, die dann vom Meer zusätzliche Unterstützung erhalten, kann er das auch tun. Das ist einer der Punkte, den dieser kleine Zwischenfall in North Bay mir deutlich vor Augen führen sollte − nur für den Fall, dass es mir bislang irgendwie entgangen sein sollte. Im Augenblick ist Cayleb wahrscheinlich noch damit beschäftigt, seine Truppenstärke zu vergrößern. Die Marines von Charis sind weiß Gott gut, aber er hatte nicht allzu viele von denen, als das Ganze hier ins Rollen gekommen ist. Andererseits haben wir eine sogar noch kleinere Army, oder etwa nicht? Vor allem, wenn man berücksichtigt, wie viele von denen als Marines zum Einsatz gekommen sind, als unserer Navy dieses … kleine Missgeschick widerfahren ist. Es wird nicht mehr allzu lange dauern, bis Cayleb bereit ist, uns hier in Eraystor zu besuchen, wahrscheinlich mit genügend Artillerie und Belagerungsgerät, um jede Tür zu öffnen, die ihm im Weg ist − und ich zweifle doch arg daran, dass Onkel Hanbyl, wenn es so weit ist, mehr gegen Cayleb wird unternehmen können, als ihm einfach nur kurzzeitig lästig zu sein.
Zweitens, und jetzt sind wir beim diplomatischen Standpunkt angelangt, ist unser guter Freund Hektor nicht in der Lage, sich für uns aus dem Fenster zu lehnen, um uns zu Hilfe zu kommen − ganz und gar nicht. Und es sollte mich zutiefst überraschen, wenn sich Sharleyan unter den gegebenen Umständen nicht lieber mit Charis verbünden würde als mit uns oder Hektor. Und das bedeutet, wir … ich glaube, ich suche nach dem Ausdruck ›wir hängen in der Luft‹. Wir sind hier am exponiertesten, wir sind diejenigen, die versucht haben, auf Cayleb Attentate zu verüben, und wir sind diejenigen, die aber auch nicht im Mindesten Hoffnung darauf haben, irgendjemand könne angesegelt kommen, um unseren Hals zu retten.
Und drittens … drittens, Trahvys, ist jedes Wort, das Staynair und Cayleb über die ›Vierer-Gruppe‹ und den Großvikar sowie die Kirche selbst gesagt haben, schlicht und einfach wahr. Glaubst du wirklich, bloß weil ich begriffen habe, wie korrupt Männer wie Clyntahn und Trynair und ihre Speichellecker im Rat der Vikare sind, würde ich nicht an Gott glauben?« Das Lachen des Prinzen war eher ein heiseres Bellen. »Natürlich glaube ich an Ihn − ich glaube nur nicht an die Mistkerle, die Seine Kirche einfach in ihre Gewalt gebracht haben! Tatsächlich glaube ich sogar, dass Staynair und Cayleb das Richtige vorschwebt … wenn es ihnen denn gelingt, das Ganze auch in die Tat umzusetzen. Und genau das ist es auch, was Graisyn so beunruhigt, und auch der Grund dafür, dass er uns so sehr dazu antreibt, endlich eine Möglichkeit zu finden, selbst in die Offensive zu gehen − und dabei immer weiter auszutesten, wie groß meine ›Treue‹ Hektor gegenüber ist.«
»Und wie groß ist deine Treue?«, fragte Pine Hollow leise.
»Hektor gegenüber?« Nahrmahn verzog die Lippen. »Ungefähr so groß wie die seine uns gegenüber − mit anderen Worten: gerade groß genug, um notfalls jederzeit mit einem scharfen Messer an seine Kehle zu gelangen. Oder meinst du der Kirche gegenüber?«
Pine Hollow antwortete nicht. Es war auch nicht erforderlich, denn sein Gesichtsausdruck sagte alles.
»Meine Treue der Kirche gegenüber reicht exakt genau so weit wie der Arm der Inquisition«, gab Nahrmahn unumwunden zurück. »Es ist an der Zeit, endlich damit aufzuhören, ›die Kirche‹ mit ›Gott‹ zu verwechseln, Trahvys. Oder glaubst du allen Ernstes, Gott hätte es Charis gestattet, die gemeinsame Flotte eines Bündnisses, das ihm im Verhältnis fünf zu eins überlegen war, derart vernichtend zu schlagen, sie geradezu auszuweiden, wenn Haarahld sich tatsächlich Gottes Eigenem Willen entgegengestellt hätte?«
Pine Hollow musste heftig schlucken, und seine Magengrube schien sich in einen endlosen Schlund zu verwandeln. Tief in seinem Inneren rezitierte ein kleiner Schuljunge mit hastiger, verzweifelter Stimme immer weiter aus dem Katechismus, kauerte sich hilflos auf den Boden und hielt sich die Ohren zu.
»Nahrmahn«, sagte Pine Hollow dann sehr, sehr leise, »du kannst unmöglich das denken, was ich vermute.«
»Nein?« Nahrmahn neigte den Kopf zur Seite. »Warum denn nicht?«
»Weil letztendlich Charis verlieren wird. Anders kann es gar nicht sein. Nicht, solange die Kirche vollständig über sämtliche der großen Königreiche herrscht. Nicht, solange ihre Schatzkammern
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