Codename Merlin - 3
in anderen Ländern geboren waren, tatsächlich zu einer Unterstützung genau der Art Kirchenspaltung führen würde, wie Cayleb sie in Charis gefunden hatte, war wiederum eine andere, deutlich kompliziertere Frage. Und es war eine Frage, über die er, das musste der Erste Ratgeber sich selbst gegenüber eingestehen, bislang noch nicht in dem Ausmaße nachgedacht hatte, wie es wohl angemessen gewesen wäre.
Wahrscheinlich, sinniert er, weil ich einfach über diese Möglichkeit überhaupt nicht habe nachdenken wollen, bis mich Nahrmahn mit der Nase darauf gestoßen hat.
Aber wenn Nahrmahn über dieses Thema bereits mit Herzog Solomon gesprochen hatte, und wenn Solomon das dazu gesagt hatte, was Nahrmahn hier anzudeuten schien, dann war Pine Hollow wohl auch anzunehmen bereit, die Einschätzung des Prinzen darüber, wie der Klerus reagieren würde − und ob Nahrmahn deren Reaktion würde überleben können oder nicht −, sei höchstwahrscheinlich auch korrekt. Und wenn es hart auf hart kam, dann war die Reaktion der Kirche nur eine mögliche Opposition, die er in seinem eigenen Land würde fürchten müssen. Ebenso wie die Ahrmahks in Charis − wenngleich aus deutlich anderen Gründen und in recht unterschiedlicher Art und Weise − hatte das Geschlecht der Baytz’ die politische Macht ganz in ihren eigenen Reihen zentralisiert. Nahrmahns Vater hatte den Feudalherren das Recht abgesprochen, eigene Armeen zu unterhalten (was teilweise nicht ganz ohne Blutvergießen verlaufen war), und Nahrmahn war sogar noch einen Schritt weitergegangen und hatte die gesamte Aristokratie der Krone unterstellt. Und nicht nur das. Im Parlament von Emerald hatten − soweit es dieses Parlament überhaupt gab und es Einfluss besaß − auch die Bürgerlichen sowohl Nahrmahn als auch seinerzeit dessen Vater dabei unterstützt, die Macht der in den Adelsstand geborenen Landeigner einzuschränken. Die Tradition, der Krone Unterstützung zukommen zu lassen, würde vermutlich auch aufrechterhalten bleiben, wenn Nahrmahn nun auf die derzeitige Krise reagierte.
Und in diesem Falle würden sowohl die Aristokratie als auch die Bürgerlichen von Emerald feststellen, dass sie weitgehend einer Meinung waren. Ließ man jegliche religiösen Erwägungen außer Betracht, so würden beide Fraktionen zweifellos einem Friedensschluss mit Charis zustimmen − vielleicht sogar einer offenen Kapitulation Charis gegenüber. Trotz der traditionellen Rivalität zwischen Emerald und Charis standen die Ahrmahks doch in dem Ruf, äußerst vernünftige Regenten zu sein. Rein weltlich gesehen dürfte es sehr schwierig werden, irgendjemanden davon zu überzeugen, dass eine Unterwerfung unter die Regentschaft von Cayleb von Charis zu einer echten Katastrophe für jeden Einzelnen führen würde. Und da es völlig nachvollziehbar und logisch war, jegliche Zerstörung und jedes Blutvergießen dringend zu vermeiden, alleine schon aus Eigennutz, dürfte es noch schwieriger werden, stichhaltige Gegenargumente zu finden.
Genau so sah zumindest Nahrmahn die Lage, und der Prinz stand in dem Ruf, Gegebenheiten sehr treffend abschätzen und äußerst präzise Vorhersagen über jegliche Reaktionen der Drahtzieher von ganz Emerald treffen zu können.
Andererseits hat er sich durchaus auch schon das eine oder andere Mal geirrt, rief sich Pine Hollow ins Gedächtnis zurück. Aber nicht oft. Und anders als andere neigt er auch nicht dazu, das, was er gerne für die Wahrheit halten würde, auch tatsächlich für die Wahrheit zu halten.
Vorausgesetzt, Nahrmahn täuschte sich nicht, und weiterhin angenommen, die Vorbereitung, die Solomon zweifellos bereits jetzt traf − wenngleich in aller Stille, dessen war sich Pine Hollow sicher −, seien tatsächlich effektiv, würde Nahrmahn seine Verhandlungen mit Cayleb höchstwahrscheinlich tatsächlich überleben können. Ob er allerdings auch das Endergebnis dieser Verhandlungen erleben würde − ob am Ende sein Kopf sich immer noch in der Nähe seines Rumpfes befand −, das war natürlich eine gänzlich andere Frage. Und um ganz ehrlich zu sein: Pine Hollow war nicht willens, die Wahrscheinlichkeit dafür höher anzusetzen als bestenfalls fünfzig zu fünfzig, und das bedeutete, dass die weiteren Ereignisse auch für den Ersten Ratgeber des Reiches äußerst unschöne Konsequenzen nach sich ziehen konnten. Dennoch …
»Wenn du das wirklich alles ernst meinst«, hörte sich der Graf selbst sagen, »dann solltest du, so denke ich,
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