Codename Sparta 04 - Das Medusa-Abenteuer
erschien.
Merkwürdig fand sie es erst, als er auch nicht zum Lunch kam. Soweit sie sich erinnern konnte, hatte er noch nie zwei Mahlzeiten hintereinander ausgelassen.
Auch sonst erschien niemand zum Mittagessen. Der Kellner hatte keine Ahnung, wo Mr. Redfield sich aufhielt, und auch die junge blonde Kellnerin konnte es sich nicht erklären. Aber sie war sicher, daß der Commander bald zurückkehren würde. – »Wollen Sie den Wein ganz bestimmt nicht probieren, Miss?« Die Regeln wurden zwar nie offen ausgesprochen, waren aber eindeutig genug: Hier kümmerten sich die Gäste um ihre eigenen Angelegenheiten.
Als nach dem üppigen Mahl ein dunkel gerösteter Arabica- Kaffee gereicht wurde, nippte sie nur daran, ohne ihn recht genießen zu können.
Nach dem Essen ging sie nach oben zu Blakes Zimmer. Vor der Tür lauschte sie.
In den Wänden konnte sie die uralten Leitungen glucksen hören, aus der Küche im Parterre drang das Geklapper von Töpfen und Pfannen und die Stimmen des Personals herauf. Sie unterhielten sich über Belanglosigkeiten.
Jemand hatte das Fenster geöffnet; sie hörte, wie die Vorhänge im Durchzug raschelten. Draußen hörte sie die Vögel in den Bäumen. Oben vernahm sie das Bröckeln eines kleinen Stückes der Dachschindeln aus Schiefer. Es war in Jahrhunderten verwittert und dehnte sich jetzt in der warmen Sonne aus, bis sich genau in diesem Augenblick der kristalline Zusammenhalt auflöste. Dann rollte es über das steile Dach mit einem winzigen ›Ping‹ in die Kupferrinnen genau über Blakes offenem Fenster.
Von Blake konnte sie nichts hören. Er war nicht in seinem Zimmer.
Sparta beugte sich vor, bis ihr Gesicht auf der Höhe des Türschlosses war, aber nicht etwa, um durch das altmodische Schlüsselloch zu spionieren, sondern um die Luft zu prüfen. Sie erkannte das würzige, unverwechselbare Aroma von Blakes Hautölen und -säuren, die die jahrhundertealte Schicht aus Messingpolitur überlagerten. Außerdem war da noch ein ganz schwacher Hauch von Phosphor.
Da sie wußte, daß sie beobachtet wurde, beschloß sie, sein Zimmer nicht zu betreten.
Sie hatte noch keinen Anlaß, sich Sorgen zu machen, denn Blake war nicht zum erstenmal über Nacht verschwunden. Nach dem Zwischenfall auf der Sternenkönigin war sie auf Port Hesperus geblieben und er zur Erde zurückgekehrt, ohne daß sie monatelang ein Wort von ihm gehört hatte. Auf dem Mars wollte er unbedingt im Untergrund arbeiten, was ihnen beiden fast das Leben gekostet hätte. Aber immer hatte er gute Gründe für sein Verschwinden gehabt.
Noch etwas war seltsam und sie fragte sich, ob es einen Zusammenhang gab. An diesem Morgen war ihr der Geruch von frischem Kitt aufgefallen. Während der Nacht hatte jemand eine Scheibe ihres Fensters ersetzt.
Die nächste Stunde verbrachte Sparta damit, durch das Haus und über das Grundstück zu spazieren. Sie wollte auf keinen Fall den Eindruck erwecken, als machte sie sich Sorgen. Blake war nirgendwo zu finden.
Auch in der Garage standen sämtliche Fahrzeuge des Landsitzes an ihrem gewohnten Platz.
Allerdings war im ersten Stock noch ein zweites, großes Fenster zerbrochen. Die Glaser waren gerade damit beschäftigt, ein Stück der perlmuttfarbenen Bleiverglasung wieder einzusetzen.
Am späten Vormittag stand Sparta auf der großen hinteren Terrasse an das grobe Kiefernholzgeländer gelehnt und betrachtete den Wald. Auch dort regte sich nichts außer kleinen Waldtieren oder fallenden Blättern.
Blake war verschwunden.
Schließlich fand sie der Commander.
»Wo ist er?« fragte sie ruhig.
»Ich habe ihm gesagt, er kann gehen, wann immer es ihm beliebt.« An diesem Morgen trug er seine strahlend blaue Uniform mit den Abzeichen an der Brust. »Er ist heute morgen gegangen, sehr früh. Wir haben ihn mit dem Helikopter geflogen.«
Sie drehte sich um und fixierte ihn mit ihren blauen Augen. »Das ist nicht wahr!«
»Sie haben geschlafen. Sie konnten unmöglich etwas hören …«
»Ich habe nicht einmal den Helikopter gehört, so sehr haben Sie mich unter Drogen gesetzt. Aber er ist nicht freiwillig gegangen.«
»Ich kann Sie offenbar nicht von Ihrer Meinung abbringen.«
»Wenigstens das ist Ihnen klar. Wenn Sie wollen, daß ich weiter mit Ihnen rede, Commander, dann hören Sie auf zu lügen.«
In seinen Mundwinkeln zuckte es. Den Spruch hatte er auch schon gelegentlich benutzt.
»Mittlerweile müßten Sie mich eigentlich kennen«, sagte sie, »wenn ich es mir in den Kopf setze,
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