Codename Sparta 04 - Das Medusa-Abenteuer
Riff schwebten.
Vielleicht waren es fliegende Pflanzenfresser, harmloses Vieh, das auf den Wolkenweiden des Jupiter graste, denn sie schienen sich von den dunklen rot-braunen Streifen zu ernähren, die sich wie ausgetrocknete Flußbetten die Flanken des treibenden Riffs hinabzogen. Hin und wieder tauchte eines kopfüber in einen Schaumberg und verschwand darin.
Im Verhältnis zu der tieferen Wolkenschicht flog die Kon-Tiki nur langsam. Es würde mindestens drei Stunden dauern, bis sie diese kurzlebigen Hügel erreicht hatte. Es war ein Wettrennen mit der Sonne. Falcon hoffte, noch vor Einbruch der Dunkelheit einen besseren Blick auf diese Mantas, wie er sie getauft hatte, und die flüchtige Landschaft, über der sie dahinsegelten, werfen zu können.
In der Komverbindung krachte es. »Howard, ich verlasse Sie jetzt nur sehr ungern, aber es ist Zeit für einen Schichtwechsel«, sagte Im. »Dr. Brenner hat sich gerade noch einen Liter Kaffee bestellt. Vermutlich möchte er Ihnen noch eine Weile Gesellschaft leisten.«
»Allerdings«, sagte Dr. Brenner gut gelaunt.
»Noch mal vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagte Howard. »Und einen guten Morgen dem neuen Flugleiter.«
»Hallo, Howard.« Als Antwort kam die Stimme von David Lum, einem Chinesen von Ganymed, der schon seit langem für das indo-asiatische Raumfahrtprogramm arbeitete. »Wir haben Budhvorn regelrecht loseisen müssen«, sagte Lum. »Sie hätte uns den ganzen Spaß verdorben.«
Der Spaß sollte noch etwas auf sich warten lassen, vor drei Stunden waren keine neuen Ergebnisse zu erwarten. Während dieser ganzen Zeit stellte Falcon die Außenmikrofone auf vollen Empfang. Er fragte sich, ob dies wohl die Ursache für das Donnern der letzten Nacht gewesen war. Groß genug schienen die Mantas dafür zu sein. Als die genauen Daten vorlagen, stellte er fest, daß sie eine Flügelspannweite von fast 300 Metern hatten! Das war die zehnfache Länge des größten Wals auf der Erde, dabei wußte Falcon, daß die Mantas kaum mehr als ein paar Tonnen wiegen konnten.
Eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang befand sich die Kon-Tiki endlich fast genau über dem Rand der Wachsberge.
»Nein«, antwortete Falcon auf die wiederholte Frage Brenners, »bislang zeigen sie keinerlei Reaktion auf meine Gegenwart. Ich halte sie nicht für sonderlich intelligent. Sie sehen aus wie harmlose Vegetarier. Ich bezweifle, daß sie meine Höhe erreichen könnten, selbst wenn sie es auf mich abgesehen haben sollten.«
Trotzdem war er etwas enttäuscht, daß die Mantas keinerlei Notiz von ihm nahmen, während er über ihren Weidegründen dahinschwebte. Vielleicht fehlte es ihnen an passenden Sinnesorganen. Er konnte in ihrem Aufbau keine Einzelheiten unterscheiden, und selbst die computergestützten Teleskopaufnahmen hatten nichts entdeckt, was einem Sinnesorgan gleichkam. Die Geschöpfe waren schlicht riesige schwarze Deltas, die sich wellenförmig über Hügel und Täler bewegten, die in Wirklichkeit kaum mehr Substanz hatten als die Wolken auf der Erde. Sie sahen zwar stabil aus, aber Falcon wußte, sobald jemand diese weißen Berge betrat, würde er einbrechen, als wären sie aus Papier.
Bei näherem Hinsehen konnte er die Myriaden von Zellen oder Bläschen erkennen, aus denen sie bestanden. Einige waren recht groß mit einem Durchmesser von etwa einem Meter, und Falcon fragte sich, in welchem Hexenkessel diese Kohlenwasserstoffe wohl gebraut worden waren. Tief unten in der Jupiteratmosphäre mußte es genug Petrochemikalien geben, um die gesamte Menschheit für Millionen von Jahren zu versorgen.
Der kurze Tag war beinahe vorüber, als er den Rand der Hügel überflog. An den tieferliegenden Hängen wurde es bereits dunkel. Auf der Westseite gab es keine Mantas, und aus irgendeinem Grund war auch die Topographie völlig anders. Hier war der Schaum zu langen, ebenen Terrassen geformt wie das Innere eines Mondkraters. Falcon stellte sich vor, es seien gigantische Stufen, die zur verborgenen Oberfläche des Planeten hinunterführten.
Auf der untersten dieser Stufen, knapp oberhalb der Wolkenwirbel, die der Berg auf seinem Weg nach oben in Unruhe versetzt hatte, befand sich eine ovale Masse mit einem Durchmesser von fünf oder sechs Kilometern. Sie war schwer zu erkennen, da sie nur wenig dunkler war als der grau-weiße Schaum, auf dem sie ruhte. Falcons erster Gedanke war, daß er auf einen Wald aus farblosen Bäumen blickte, riesigen Pilzen, die nie das Licht der Sonne gesehen
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