Codename Tesseract - Wood, T: Codename Tesseract - The Killer
zugekniffen. Victor zog die HK, zielte auf ihren Kopf, holte Luft. Hielt den Atem an. Schoss aber nicht.
Er trat die Balkontür ein und sprang hindurch, obwohl um ihn herum immer noch Splitter zu Boden rieselten, hastete durch die Küche und ins Wohnzimmer. Der gleiche Grundriss wie in der Wohnung der Maklerin.
Victor warf einen Blick durch den Türspion. Ein Fenster ließ gerade so viel Licht in den Hausflur fallen, dass er die schwarz gekleidete Gestalt direkt vor der Tür erkennen konnte. Er registrierte die Umrisse der MP-5, die Wölbung der kugelsicheren Weste, die Konturen des Nachtsichtgeräts.
Victor holte einmal tief Luft. Attentäter mit Pistolen waren eine Sache, aber ein vollständig bewaffnetes und gepanzertes Sturmkommando eine ganz andere. Ein Stück weiter den Flur entlang war das Ächzen und Krachen zu vernehmen, während immer mehr Angreifer versuchten, die verbarrikadierte Tür aufzubrechen. Sie hatten sich die falsche Wohnung ausgesucht, hatten keine Ahnung, dass er gar nicht mehr dort war.
Wenn er etwas unternehmen wollte, dann jetzt.
Victor drückte die Klinke nach unten, riss die Tür auf, packte den verblüfften Elitekämpfer am Arm und zog ihn in die Wohnung. Er war so verdattert, dass er keinen Laut von sich gab. Victor trat ihm die Beine unter dem Körper weg, sodass er auf den Boden fiel, und rammte ihm die Pistole der Maklerin ans Kinn.
Dann knallte er die Tür ins Schloss und verriegelte sie von innen.
Die anderen Angreifer im Flur hörten den Lärm, wirbelten herum, sahen, dass einer der ihren verschwunden war.
» Was war denn das, verfluchte Scheiße ?«
»Scheiße, Scheiße, er hat Xavier.«
»Er ist in einem anderen Apartment, verdammt.«
»Rückzug, Rückzug, er ist in 305.«
Die Männer, die die Wohnung der Maklerin durchsuchten, zogen sich sofort zurück, ohne die Suche zu beenden. Sie hasteten auf den Flur hinaus, nahmen erneut ihre Positionen ein, dieses Mal vor dem richtigen Apartment.
»Also gut«, flüsterte der Einsatzleiter. »Schnappen wir uns den Drecksack.«
Victor schob einen Stuhl unter die Türklinke, nahm die Blendgranaten aus dem Munitionsgurt seines Gefangenen und stopfte sie in seine Jackentaschen, zusammen mit einer Handvoll Ersatzmagazine für die schallgedämpfte MP-5.
Der Kerl auf dem Fußboden war bewusstlos, sein Gesicht voll Blut. Victor nahm ihm das Nachtsichtgerät ab und setzte es selbst auf. Die ganze Umgebung verwandelte sich in eine grünlich-verschwommene Pixellandschaft. Er hob das Gewehr auf und verpasste dem leblosen Mann noch zwei unsanfte Tritte gegen den Schädel, damit er in absehbarer Zeit nicht wieder zu sich kam. Hätte er geschossen, dann wäre das Sturmkommando sofort hereingestürmt. Aber so blieben ihm ein paar Sekunden, bis sie sich wieder bereit gemacht und einen spontanen Plan zur Rettung ihres Kollegen ausgetüftelt hatten.
Er sah die Abzeichen auf der Uniform des Mannes und stieß einen erleichterten Seufzer aus. Das war kein CIA-Kommando, das waren französische Polizisten, Angehörige der Recherche Assistance Intervention Dissuasion, abgekürzt RAID, der französischen Anti-Terror-Brigade. Vielleicht hatten sie die Maklerin unter Beobachtung gehabt, oder sie hatten ihn am Flughafen bemerkt und waren ihm gefolgt. Vielleicht war er auch
von einem Zivilisten erkannt und gemeldet worden. Ganz egal, wie und warum, das war jedenfalls der Preis dafür, dass er nach Paris zurückgekehrt war.
Mit der MP5-SD in der Hand rannte Victor zurück auf den Balkon. Er verzog kurz das Gesicht, weil er direkt in eine Straßenlaterne auf der anderen Straßenseite blickte und das Nachtsichtgerät den Lichtschein fast schmerzhaft verstärkte. Die Maklerin stand noch genau am selben Platz wie vorhin, auf dem Nachbarbalkon, mit dem Rücken zur Hauswand, krampfhaft bemüht, nicht zu hyperventilieren.
Victor stellte sich auf das Balkongeländer und sprang zu ihr hinüber, wiederholte das Ganze und gelangte so wieder auf den ersten Balkon. Er rutschte auf dem nassen Geländer aus, konnte sich aber gerade noch an der Regenrinne festhalten und einen Sturz verhindern. Dabei fiel ihm die MP5 aus der Hand. Er sah die Maschinenpistole auf dem Balkon landen und stieß einen erleichterten Seufzer aus.
Er nahm die MP und eilte durch die Küche ins Wohnzimmer, die Waffe mit beiden Händen fest im Anschlag.
Das Sofa, der Schreibtisch und der Stuhl waren zu Bruch gegangen und lagen neben der Tür. Kein Angreifer des RAID-Teams war mehr hier.
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