Codename Tesseract - Wood, T: Codename Tesseract - The Killer
überlegten, was sie erwidern wollten. Und dann war dieser John Kennard ermordet worden.
Am Telefon hatte ihr Mittelsmann eindeutig mit Westküstenakzent gesprochen. Für sie hatte es sich angehört, als sei er in Los Angeles aufgewachsen. Sie starrte noch eine Zeit lang auf den Monitor, suchte nach weiteren Informationen. John Kennard stammte aus Kalifornien, stand da.
Vielleicht hatte ihr Mittelsmann sich deshalb noch nicht zurückgemeldet, weil er gestern Abend in Paris erstochen worden war.
Wenn dieser Kennard tatsächlich ihr Mittelsmann gewesen war, warum hatte dann nach seiner Ermordung niemand mit ihr Kontakt aufgenommen? Er war jetzt seit über sieben Stunden tot. Ausreichend Zeit, um zum Telefon zu greifen oder eine E-Mail zu schicken. Hier war es mitten in der Nacht, aber in den Staaten nicht, und bei so einer Aktion schlief man sowieso nicht viel. Ihr Mittelsmann musste doch Vorgesetzte haben, die wussten, welche Rolle sie bei dieser Operation spielte. Aber was, wenn sie als Einzige vom Tod ihres Mittelsmanns wusste? Wenn niemand ahnte, was da vor sich ging, dann war die Operation nicht mehr zu retten.
Bisher war es immer so gewesen, dass ihr Mittelsmann sie angerufen hatte, aber er hatte ihr für den äußersten Notfall eine Handynummer gegeben. Einen dringlicheren Notfall als diesen jetzt konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen. Rebecca griff zum Telefon.
Mit großen Augen starrte sie in die Finsternis, während die automatische Ansage ihr verkündete, dass der Anschluss nicht zu erreichen sei. Kurz darauf versuchte sie es erneut. Wieder nicht erreichbar. Noch einmal. Nicht erreichbar. Solche Anschlüsse waren aber prinzipiell immer erreichbar. Rebecca verspürte den beunruhigenden Drang, einen prüfenden Blick auf ihre Wohnungstür zu werfen.
Sie knallte das Telefon auf die Gabel. Schlagartig wurde ihr klar, was da los war. Zuerst die Ereignisse vom Montag in Paris, dann gestern Abend die Ermordung eines amerikanischen Botschaftsangehörigen, und jetzt war die Notfallnummer tot. Die einzig mögliche Erklärung war grauenerregend, aber sie riss sich zusammen und versuchte, ruhig zu bleiben. Irgendetwas muss dir entgangen sein, sagte sie sich. Sie blätterte sämtliche Berichte durch, jeden noch so winzigen Geheimdienstschnipsel, den sie in
die Finger bekommen konnte. Sie musste sich beweisen, dass sie unrecht hatte … oder recht. Jedenfalls musste es schnell gehen.
Interpol lieferte ihr die Antwort, vor der sie sich gefürchtet hatte. Sie las einen Bericht aus der Schweiz. Nördlich von Genf war ein Haus abgebrannt. In der Nähe hatte man einen Toten gefunden. Die Polizei suchte nach dem Mörder. Rebeccas Blick blieb an der Adresse hängen. Diese Anschrift kannte sie. Sie selbst hatte geholfen, sie zu ermitteln. Sie hatten also noch einen zweiten Versuch unternommen, und zwar ohne ihr Bescheid zu sagen. Sie gehörte nicht mehr dazu. Und das konnte nur eines bedeuten.
Rebecca raffte sämtliche Akten auf ihrem Schreibtisch zusammen, brachte sie in die Küche und warf sie in die Spüle. Sie durchwühlte ihre Schränke und fand die Flasche mit dem extrastarken Rum, den sie sich für einen Regentag aufbewahrt hatte. Heute schüttete es, draußen und drinnen. Sie riss das Siegel auf, schraubte den Deckel ab und goss etwas davon in die Spüle. Dann nahm sie das Feuerzeug für den Gasherd, hielt die Spitze in die Spüle und wandte sich so weit wie möglich ab.
Mit einem Klick löste sie einen Zündfunken aus, und der Rum entzündete sich. Rebecca trank einen Schluck aus der Flasche und sah den brennenden Akten kurz zu. Hastig stopfte sie ein paar Kleidungsstücke in einen Koffer. Praktische Sachen, nichts Auffälliges. Sie besaß einen ganzen Schrank mit Kleidern, die ihr ans Herz gewachsen waren, aber jetzt war keine Zeit für Sentimentalitäten. Sie musste verschwinden, und zwar so schnell wie möglich.
Es war eine Säuberungsaktion im Gang, da war sie sich sicher. Alle Anzeichen waren vorhanden. Die Operation war schiefgelaufen, die Verantwortlichen hatten den Stecker gezogen, und jetzt wurden die losen Enden gekappt. Sie wusste, dass so etwas früher öfter stattgefunden hatte, hätte aber nie für möglich gehalten, dass es das heute immer noch gab. Solltest du aber, sagte sie sich.
Warum mussten die jetzt anfangen, Leute umzubringen? Was war da eigentlich los? Sie wurde von dem deprimierenden Gefühl übermannt, dass die ganze Operation nicht nur am Rand, sondern weit außerhalb
Weitere Kostenlose Bücher