Codename Tesseract - Wood, T: Codename Tesseract - The Killer
isoliert und verwundbar war. Er war alleine, auf der Flucht, ohne genau zu wissen, warum seine Jäger eigentlich hinter ihm her waren. Aber ganz egal, welches die Gründe sein mochten, ihm war klar, dass seine Überlebenschancen mit jeder Stunde schwanden.
Es musste sich etwas ändern.
Victor zweifelte nicht an seinen Fähigkeiten, aber er musste sich, wenn auch äußerst widerwillig, eingestehen, dass er mit seiner Weisheit am Ende war. Wenn alles so blieb, wie es war, dann würde er es nicht schaffen. Er war bereits zweimal aufgespürt worden, trotz all der Vorsichtsmaßnahmen, und sie würden ihn wieder finden. Es mochte Wochen dauern, vielleicht sogar Jahre. Aber wie oft konnte er seinen Feinden noch entkommen? Früher oder später kam der Zeitpunkt, wo er nicht mehr schnell genug war.
Die einzige Spur hatte ihn ins Nichts geführt. Auf sich alleine gestellt, blieb ihm keine andere Wahl, als auf den nächsten Mordanschlag zu warten. Er brauchte Hilfe. Und der einzige Mensch, der ihm diese Hilfe anbot, war derjenige, den er von Anfang an im Verdacht gehabt hatte, Urheber der ganzen Verschwörung zu sein. Bis jetzt war das Gegenteil noch nicht bewiesen.
Aber das war die einzige Option, die ihm noch geblieben war.
Er merkte sich die Telefonnummer und verließ das Café, entdeckte ein etwas abseits gelegenes Münztelefon und wählte. Die zwanzig Sekunden, die es dauerte, bis sich jemand meldete, erschienen ihm wie der längste Augenblick seines ganzen Lebens.
»Hallo?«
Eine weibliche Stimme. Das brachte ihn kurz aus dem Konzept.
Er hatte nicht weiter darüber nachgedacht, wer am anderen Ende der Leitung sitzen könnte, aber mit einer Frau hatte er nicht gerechnet. Eine Amerikanerin.
Schließlich fand er seine Stimme wieder. »Ich bin’s.«
Die Erwiderung kam unmittelbar, mit unverhohlener, echter Verblüffung. »Mein Gott. Sie sind es tatsächlich, nicht wahr?«
»Ja.«
»Ich war mir nicht sicher, ob Sie sich melden würden.«
Victor hielt den Blick auf die Straße gerichtet, auf die Menschen, die Autos. »Was ist los?«
»Nicht am Telefon.«
Zehn Sekunden.
Victor sagte: »Seit einem halben Jahrzehnt halte ich mich strikt an meine Grundregeln, also läuft das Ganze entweder so, wie ich sage, oder gar nicht. Verstanden?«
»Ja.«
»Dann sagen Sie mir, was Sie wissen.«
»Noch nicht.«
»Ich lege auf.«
Es war kein Bluff.
»Nein, warten Sie.«
Zwanzig Sekunden.
Die Maklerin sagte leise: »Ich weiß, wer die anderen sind. Ich weiß, wer versucht hat, Sie umzubringen. Ich kann Ihnen helfen.«
»Sagen Sie’s mir.«
»Ich sage es Ihnen bei einem persönlichen Treffen. Nicht eher.«
»Wenn Sie’s mir jetzt nicht sagen, dann bin ich weg.«
»Alleine werden Sie’s nicht schaffen.«
»Da bin ich anderer Ansicht.«
»Wenn das wirklich so wäre«, sagte die Frau leise, »warum haben Sie mich dann angerufen?«
Dreißig Sekunden.
Victor starrte auf sein Spiegelbild in der Glasscheibe der Telefonzelle. Es fiel ihm schwer, sich in die Augen zu schauen. Dann holte er tief Luft. »Wo würden wir uns treffen?«
»Paris.«
»Wann?«
»Heute Abend.«
»Warum so schnell?«
»Weil ich morgen vielleicht nicht mehr am Leben bin.«
Vierzig Sekunden.
»Wo und wann genau?«
»Rufen Sie diese Nummer an, sobald Sie da sind. Ich muss jetzt Schluss machen.«
Die Leitung war tot.
Sie hatte das Gespräch beendet. Das war ein gutes Zeichen, auch wenn er sich darüber ärgerte. Er hatte versucht, das Gespräch auf eine Minute auszudehnen, um sie zu testen. Wenn sie länger als eine Minute geredet hätte, dann wäre klar gewesen, dass er ihr nicht trauen konnte. Aber auch, dass sie die Verbindung schon vorher unterbrochen hatte, konnte nichts weiter als ein Trick sein, um ihn in Sicherheit zu wiegen. Wenn das so war, dann würde sie bald eine große Überraschung erleben. Er vertraute niemandem.
Aber in ihrer Stimme hatte eine Verzweiflung mitgeschwungen, die ihn glauben ließ, dass sie ihn nicht hintergehen wollte, dass sie genauso in Gefahr schwebte wie er selbst. Obwohl, sagte ihm sein Verstand sofort, sie brauchte einfach nur eine gute Schauspielerin zu sein oder eine Pistole vor der Nase zu haben, dann hätte dieser Hauch von Verzweiflung auch ausgesprochen glaubhaft geklungen.
In Paris hatte die ganze Sache angefangen, und jetzt sollte er also noch einmal zurückkehren. Dort hatten seine Feinde schon einmal versucht, ihn umzubringen. Wenn er Selbstmordgedanken hegte, dann war eine Rückkehr
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