Codewort Geronimo - der Augenzeugenbericht zum Einsatz der Navy-SEALs gegen Osama bin Laden
Chief Petty Officer der US-Marine. Doch er blieb stumm.
Mels Blick fiel nach links, außerhalb des Lichts seines Spektivs. Er schaute nach Osten, wo der Mond irgendwann aufgehen würde. Noch herrschte dort grauschwarze Finsternis. Mel konnte nichts erkennen, wusste aber, dass zwei HSACs auf sie zu jagten. Und er wusste, dass ihnen, keine zwei Meter über dem Wasser, ein Seahawk-Hubschrauber folgte. Unwillkürlich betete er: Bitte mach, dass sie nicht gesehen werden. Und: Oh Gott, bitte mach, dass ich das Ding nicht versaue.
Das Rettungsboot schlingerte erneut. Dann hob sich sein Bug wie ein strauchelndes Pferd. In der Luke war Erasto immer noch klar zu erkennen. Er drehte sich um, stand mit dem Rücken zum Schiff und schaute auf die Fenster der Steuerbrücke. Hinter der Windschutzscheibe hob sich ein Kopf. Und dann noch einer.
Mel hatte sein Spektiv auf den Bug gezoomt. Er konnte Deltas Gesicht so klar erkennen, dass er sogar die geweiteten Pupillen wahrnahm. Erasto stierte in die Nacht hinaus, den Schatten hinterher. Seine Augen waren weit aufgerissen. Auf der Steuerbrücke sah man zwei Silhouetten.
Nur zwei.
Dann sah Mel, wie Delta nach rechts herumfuhr. Er sah, wie Erasto die Hand hob und nach Osten zeigte, weg von der Steuerbordseite des Zerstörers. Mel versuchte, den Gedanken zu unterdrücken, dass sie die HSACs gesehen oder den Hubschrauber gehört hatten.
Ihnen blieb keine Zeit mehr, keine weiteren Sekunden oder Minuten. Plötzlich lief alles wie in Zeitlupe ab. So ist das, wenn der Hahn gespannt ist, die Waffe an der Schulter im Anschlag ruht und das Lauern und Zielen ein Ende hat. Dann kommt es auf einen ruhigen, geraden Schuss an.
Delta hob seine AK-47. Er hatte die Hand am Griff und seine Finger schlossen sich um den Vorderschaft. Delta zielte auf etwas rechts vom Rettungsboot. Hinter der Windschutzscheibe rückten die beiden Schatten näher zusammen. Jetzt befanden sich beide auf der Steuerbordseite, einer seitlich vor dem anderen.
Mels Stimme klang emotionslos und ruhig. Automatisch kontrollierte er seine Atmung.
Delta richtete seine Waffe auf sie, doch das war egal. Mel und seine Jungs blieben cool.
„Wer hat?“
„Bravo hat.“
„Charlie hat.“
„Delta hat.“
Ein Flush. Mel aktivierte das Mikro und befahl über das taktische Netz: „Feuer.“
Drei Kugeln. Drei Tote. Es war vorbei. Die Piraten, die die Maersk Alabama gekapert hatten, waren tot. Und Captain Richard Philipps war frei.
BIN LADENS WEG NACH ABBOTTABAD
DER TAG, AN DEM SICH DIE WELT VERÄNDERT HAT
DER 11. SEPTEMBER 2001
UM 8.46 UHR AM MORGEN DES 11. SEPTEMBER 2001 schlug American-Airlines-Flug 11 im 93. Stock des Nordturms (Gebäude 1) des World Trade Centers ein. Es war kein Wölkchen am Himmel und niemand im amerikanischen Terrorismusbekämpfungsapparat, niemand, vom Direktor des FBI bis hinunter zum grünsten Agenten im Einsatz, keiner, vom Direktor der CIA bis hin zum unerfahrensten Sachbearbeiter, Analysten oder Techniker, nicht einer dachte, es könne sich um einen Unfall handeln.
Vom ersten schrecklichen Moment des 11. September an wussten alle Nachrichtendienste der USA, dass sie ausgetrickst worden waren.
In den Wochen und Monaten vor dem 11. September hatten FBI und CIA Dutzende eindeutiger Warnungen erhalten und bearbeitet – darunter klare Berichte von Agenten und Mitarbeitern im Außeneinsatz ebenso wie geschliffene Memos und White Papers ausländischer Geheimdienste. Manche warnten ganz allgemein vor einem Anschlag, andere gaben konkret an, Osama bin Laden und al-Qaida planten, entführte Flugzeuge auf Ziele in den USA stürzen zu lassen.
Doch all die Berichte aus dem In- und Ausland wurden ignoriert.
Die Informationen waren durch die verknöcherten Bürokratien zweier gleichermaßen funktionsgestörter Organisationen nach oben gewandert. Sie gingen bei CIA und FBI über dieselben grauen Behördenschreibtische. In beiden Behörden hatten die Sachbearbeiter und Analysten ihr Arbeitsumfeld wabenartig organisiert, sodass ein anonymer, boshafter oder fauler Mitarbeiter eine Ermittlung zum Scheitern bringen, einen Hinweis unterschlagen oder einen Bericht verheimlichen kann. Vor allem bei der CIA hatte man diese verheerende intrigante Firmenpolitik zur Kunstform erhoben. Beim FBI sah es nicht viel besser aus. Dort hatte sich ein neuer Direktor mit karrierebewussten Überlebenskünstlern umgeben, die auf ihren Ruhestand hinarbeiteten.
Niemand, der den 11. September erlebt hat, wird je vergessen, wo er
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