Codewort Geronimo - der Augenzeugenbericht zum Einsatz der Navy-SEALs gegen Osama bin Laden
wenn diese ausblieben. Die Scharfschützen hielten ihre Waffen gelassen in Bereitschaft. Sie beobachteten und warteten ab. Vollkommen beherrscht.
Im Greenroom auf der USS Boxer streiften die Stand-by-Schützen von Stoop Zero Three, Frank Bracken und Sean O’Hallaran, die Schutzwesten über und schlossen mit fließenden Bewegungen alle Schnallen, Druckknöpfe und Klettverschlüsse, die ihre Ausrüstung zusammenhielten. Beide steckten sich Kopfhörer in die Ohren, setzten ihre Helme auf und schoben die Nachtsichtbrillen über die Augen. Sie traten aufs dunkle Flugdeck hinaus, wo sie von einer Gestalt im gelben Hemd zu einem grauen Hubschrauber vom Typ SH-60 geführt wurden, der an zweiter Position stand.
Es ging los.
Drei Tage lang hatten sich Bracken und O’Hallaran in Fünf-Minuten-Bereitschaft befunden. In voller Montur hatten sie auf einer Nylonliege in dem drei mal sechs Meter großen Raum gesessen, der ans Flugdeck der Boxer grenzte. Mahlzeiten und Kaffee waren ihnen gebracht worden. Einer von beiden war immer am Funkgerät gewesen, hatte die Meldungen zur Kontrolle der Kommunikation bestätigt und die taktische Frequenz sowie das separate Netz der Scharfschützen abgehört. Drei Tage lang waren die Informationen von Scan Eagle auf einen schwarzen Laptop gelaufen, der auf O’Hallarans Rucksack stand – jeder Zentimeter des Rettungsbootes, jede Wölbung, jede Nische und jeder tote Winkel hatte sich ihnen ins Gehirn gebrannt. Jetzt war der Laptop mit der Live-Einspeisung zusammengeklappt und steckte in einem kleinen Rucksack. Sie griffen nach ihren Waffen und rannten zum Hubschrauber.
Sobald die Schussmeldung einging, hieß es für Stoop Three, sich umgehend in Position zu bringen. Innerhalb von fünf Minuten mussten sie im Hubschrauber sitzen, abheben und den angreifenden Schnellbooten Deckung geben – als Scharfschützen, die nachts aus den Türen eines fliegenden Hubschraubers hingen und mit Nachtsichtgeräten schossen.
Nach der Enge des stickigen Greenrooms kam ihnen das Flugdeck unendlich vor. Sie sahen sich mit ihren Nachtsichtbrillen um. An die Stelle des grünen Stahls der Schiffskabine war die digitale grüne Weite der Nacht getreten.
Bracken, der als Schussbeobachter eingeteilt war, trug eine Match-Grade-Version des M-14-Gewehrs und ein MO-4 mit montiertem Laser. O’Hallaran war ebenfalls schwer bepackt. Er hatte eine voll bestückte PS2 mit massigem Schalldämpfer, dasselbe MO-4 und einen kleinen Rucksack bei sich, der jeweils zehn Magazine mit 7,62-mm-Munition für die PS2 und die M-14 enthielt: Leuchtspurmunition, panzerbrechende, brandauslösende Munition, Predator-Munition und solche aus abgereichertem Uran. Das volle Programm.
Das gelbe Hemd brachte sie bis zur Tür. Als sie in den Seahawk kletterten, hörten sie das hohe Singen der Turbinen und die Rotoren begannen sich zu drehen. Bracken befestigte seinen Klettergurt und den Karabiner an einem backbord in der Decke eingelassenen Ring, O’Hallaran tat dasselbe auf der Steuerbordseite hinter dem Piloten. Aus dem Cockpit drehte sich ein Kopf zu ihnen, der mit der Nachtsichtbrille insektenartig wirkte. O’Hallaran schloss sich an die interne Kommunikation an und drückte eine Taste an seinem Mikro.
„Alles klar“, sagte er.
Der Pilot zeigte mit den Daumen nach oben, der Seahawk heulte auf und die Triebwerke schickten einen Schwall heißer, nach Kerosin stinkender Luft durch die offene Tür. Der Hubschrauber hob ab.
O’Hallaran sah den Aufbau und das Deck der Boxer nach rechts unten wegsinken, als der Heli in eine scharfe Linkskurve ging. Unter ihnen schillerte das grünschwarze Meer. O’Hallaran prüfte seine Gurte, sein Magazin und schaltete das MO-4 ein. Durch die offene Tür zerrte der Wind an seinem Fliegeranzug und als der Hubschrauber beschleunigte, zog es ihm die Beine nach hinten.
Über das taktische Netz hörte er ein Piepen und dann die Stimme des HSAC-Kommandeurs Mike Geiger.
„Sea Fox 6 und 8, einwärts auf Schema drei.“
Schema drei war ein schneller Kurs, der die Sturmboote in weitem Bogen eineinhalb Kilometer hinter das Rettungsboot bringen würde. Die Sea Foxes waren unterwegs, die große Falle war aufgestellt. O’Hallaran wusste, wo er hinschauen und wonach er Ausschau halten musste, doch er konnte die HSACs nicht sehen. Die mit langen grauen Streifen bemalten, tiefliegenden und hochgefährlichen Boote waren ganz bewusst schwer erkennbar. Mit ihren abgeschrägten Seiten und dem umgekehrten Bug sahen sie
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