Codewort Geronimo - der Augenzeugenbericht zum Einsatz der Navy-SEALs gegen Osama bin Laden
Salafisten, die sich Verhalten und Gebräuche der frühen Gefährten des Propheten Mohammed zum Vorbild nahmen.
Salafistische Muslime streben auch nach der Wiederherstellung des Kalifats – also der islamischen Vorherrschaft in allen Landen von Spanien bis nach China, wie sie auf dem Höhepunkt der muslimischen Eroberungszüge bestanden hatte. Osama war mit dem Konzept des neuen Kalifats einverstanden, jedoch zwiespältig in Bezug auf den designierten Herrscher der muslimischen Welt. Das Schicksal seiner Familie und sein monatliches Stipendium waren unauflöslich mit dem Geschick der saudischen Monarchie verwoben. Muslimbruder oder nicht – Osama betrachtete den Mord wie der Rest der Welt als Tat eines Wahnsinnigen. Osama war nicht für Königsmord und auch nicht für den Umsturz der saudischen Monarchie. Das kam erst später.
Als Student an der König-Abdulaziz-Universität kam Osama mit dem Werk des radikalen Islamisten Sayyid Qutb in Berührung. Anwar al-Sadat hatte Sayyid Qutb 1966 hinrichten lassen. Er war die Leitfigur der ägyptischen Muslimbruderschaft. Qutbs Schriften wurden in der muslimischen Welt breit publiziert und bildeten die intellektuelle Grundlage für die Philosophie des Dschihad. Mit seinem Tod wurde Qutb zum wichtigsten Märtyrer der Muslimbruderschaft.
Qutb war in den 1950er-Jahren in die Vereinigten Staaten gereist. Diese Erfahrung hatte ihn schwer erschüttert. Das Leben in den USA fand er „spirituell primitiv“ und er war entsetzt von dem, was er als „lockere sexuelle Offenheit“ amerikanischer Frauen bezeichnete. Qutb schrieb verächtlich über die damals in Amerika grassierende Jazzkultur. Er nannte sie „die Musik, die die Neger erfanden, um ihre primitiven Neigungen zu befriedigen und auch ihr Verlangen, Lärm zu machen und dabei gegenseitig ihre viehischen Instinkte zu erregen“.
Seltsamerweise war Qutb trotz seiner rassistischen Bigotterie in der Lage, spirituelle Meditationen über Gott und Mensch zu verfassen. Die Demokratie, behauptete er, sei ein gescheitertes System. Sie sei korrupt, weil sie die Menschen korrumpiere. Qutbs Texte ermahnten die Muslime, der Dschihad gegen die Ungläubigen sei ihre heilige Pflicht.
Für Qutb bedeutete Dschihad nicht nur die Verteidigung muslimischen Landes, sondern eine weltumspannende Revolution „zur Sicherung der Mission, den Islam zu verbreiten“. Für Qutb befand sich die ganze Welt in der Dschahiliyya – einem Zustand des untermenschlichen Stumpfsinns und des Chaos, in der Ignoranz das Gottesverständnis der Menschheit vernebelte. Da Chaos und der Wille Allahs nicht nebeneinander existieren können, war ein offensiver Dschihad nötig, um korrupte Gesellschaften zu zerstören und die Welt zum Islam zu bekehren.
Qutb schrieb und predigte, dass der Islam ein vollkommenes System der Gerechtigkeit und Moral biete. Qutb und die Muslimbrüderschaft hielten bewaffneten Kampf für ein probates Mittel, das Paradies auf Erden herbeizuführen. Er glaubte, der Islam sei von Feinden umringt. Ob demokratisch gewählt, monarchistisch oder auf Militärdiktatur gegründet – solange ein Regime nicht Scharia-Recht praktizierte, war es vom Glauben abgefallen und damit ein legitimes Ziel. In Qutbs Augen war eine islamische Revolution erforderlich, um einen Wandel der Regierungsform zu bewirken und die Herzen der Menschen zu verändern.
Qutbs Anhänger sprachen von sogenannten „nahen Feinden“: Dazu gehörten Israel und jede weltliche Regierung in der arabischen Welt. Sie benannten aber auch eine Gruppe „ferner Feinde“ – darunter die Vereinigten Staaten –, deren unverzeihliches Vergehen moralische Verderbtheit und die militärische Unterstützung des Staates Israel war.
Sayyid Qutb war Kämpfer und Dichter zugleich. Er glaubte, die Seelen der Märtyrer würden im Leib grüner Vögel gen Himmel getragen. Seine Schriften waren durchsetzt von Mystik, Frauenfeindlichkeit und unbarmherzigem, blindem religiösem Eifer. Doch Qutb und die Muslimbruderschaft versprühten ihr Gift nicht nur gegen den großen Satan. Zu den „fernen Feinden“ zählten auch europäische Mächte, die einst über Kolonien im Nahen Osten geherrscht hatten: Großbritannien, Frankreich und Italien.
Dass Osama sich wirklich gründlich in die 30-bändigen Korankommentare Sayyid Qutbs eingelesen hat, ist zu bezweifeln. Doch er erfasste das Wesentliche. Wie Millionen anderer junger Muslime gelangte Osama durch seine Lektüre zu der Überzeugung, dass die Dschihadis
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