Codewort Geronimo - der Augenzeugenbericht zum Einsatz der Navy-SEALs gegen Osama bin Laden
Invasoren war zunächst nicht in erster Linie religiös geprägt. Den von ihm selbst verbreiteten Mythen zum Trotz fuhr Osama bin Laden auch nicht sofort nach Afghanistan, um sich dem Dschihad anzuschließen. Das tat niemand.
Es gingen mehrere Jahre ins Land, bevor der Kampf des afghanischen Volkes den religiösen Charakter annahm, mit dem er heute assoziiert wird. Die ersten afghanischen Widerstandsführer waren keine besonders frommen Männer. Sie baten die muslimische Welt auch nicht um Hilfe – lediglich um Waffen.
Obwohl manche afghanischen Kämpfer im Namen Allahs antraten und den russischen Besatzern den Heiligen Krieg erklärten, betrachteten die meisten Bürger Afghanistans die Kämpfe eher pragmatisch. Die Russen waren in ihr Land einmarschiert und nun taten sie, was sie immer getan hatten, wenn sich ein potenzieller Eroberer vor ihren Toren zeigte: Sie führten mit aller Kraft, blutig und gnadenlos, Krieg.
Wie schon die Amerikaner in Vietnam sollten die Russen von einem Feind besiegt werden, der nicht die großen Schlachten suchte, keine stehende Armee unterhielt und nur wenige feste Stützpunkte. Sie traten gegen eine geisterhafte Truppe an, die zu Zeiten und an Orten zuschlug, die sie selbst bestimmte, und sich unvermittelt in nichts auflöste, wenn die Sowjets versuchten, ihre Kräfte zu konzentrieren.
Afghanistan wird zu Recht als Friedhof der Weltreiche bezeichnet. In 2.500 Jahren Geschichtsschreibung hat Afghanistan nie eine einheitliche, zusammenhängende Armee aufgestellt und trotzdem erst die Mazedonier unter Alexander, dann die Mongolen, die Hunnen, die Briten auf der Höhe ihrer Macht als Weltreich und schließlich die kombinierte Kraft des gesamten Sowjetmilitärs geschlagen.
1973 wurde König Mohammed Sahir Schah vom Thron gestürzt. 1963 hatte man das von ihm eingeführte Parlament, die Bürgerrechte, freie Wahlen und das Wahlrecht für Frauen widerspruchslos hingenommen, doch der König hatte kein Charisma und war nicht sehr beliebt. Zehn Jahre vergingen.
In rascher Folge hatte der afghanischen Regierung eine Reihe immer brutalerer sowjetischer Marionetten vorgestanden. So begann der erste Dschihad der Moderne.
13.000 russische Soldaten starben im sowjetisch-afghanischen Krieg, weitere 50.000 wurden verletzt oder verstümmelt. Die Opfer unter der afghanischen Zivilbevölkerung waren nicht genau zu beziffern, doch es war von annähernd drei Millionen auszugehen. Über fünf Millionen afghanischer Zivilisten waren vertrieben worden und flohen nach Pakistan und in den Iran. In den neun Jahren sowjetischer Besatzung kamen Muslime aus aller Welt nach Afghanistan, um zu kämpfen. Manche waren kaum mehr als Abenteuertouristen, die für eine Woche anreisten, in einem Trainingslager für Dschihadis lernten, wie man eine Waffe bediente, und dann nach Bahrain, Saudi-Arabien und in den Jemen zurückflogen, um dort in ihren neuen paschtunischen Pluderhosen zu paradieren. Andere meinten es ernst und wollten Blut fließen sehen. Ein kleinerer Teil waren religiöse Eiferer.
Es war das afghanische Volk selbst, das die Sowjets besiegte. Geholfen haben ihm dabei von den USA gelieferte Waffen, die über Kanäle des pakistanischen Geheimdienstes ISI eingeschleust wurden. Nicht einmal 10.000 „afghanische Araber“ standen den Afghanen zur Seite.
Fast zehn Jahre lang fungierte die Sowjetunion als Kriegslabor, in dem Dschihadisten aus der ganzen Welt kämpfen lernen konnten. Sie sammelten Gefechtserfahrung und wurden im Umgang mit Sprengstoff, in verdeckten militärischen Einsätzen und in Guerillataktik ausgebildet. Im Grunde erlangten sie die Fähigkeit, effizient zu töten. Der sowjetische-afghanische Krieg hatte gleich mehrere Folgen, die die Welt veränderten: Die erste war, dass der sowjetische Moloch erzitterte und ächzte und sich keuchend, gebrochen und geschlagen über die Grenze zurückschleppte. Bald nach der Niederlage in Afghanistan brach die Sowjetunion zusammen. Dass es so enden würde, hätte in der NATO oder im Westen niemand vorhersehen können, als die Sowjets am Tag nach Weihnachten 1979 auf dem Flughafen von Kabul landeten.
Ebenso wenig hatte man im Westen ahnen können, dass sich infolge der sowjetischen Niederlage eine nie dagewesene neue Klasse von Kämpfern herausbildete. Der Westen hatte Heilige Krieger im Kampf gegen die Sowjets bewaffnet, ausgebildet und angestachelt. Und jetzt musste er selbst gegen sie kämpfen. Das war ein monumentaler Rückschlag. Diese neuen Krieger
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