Codewort Geronimo - der Augenzeugenbericht zum Einsatz der Navy-SEALs gegen Osama bin Laden
Erzählungen zu einem nahezu mythischen Triumph des Guten über das Böse hochstilisiert.
Osamas Gefolgsleute, ohnedies fromme Männer, schrieben ihr Überleben bald dem Eingreifen von Engeln zu. Um ein Haar hätte Osama seinen Stützpunkt, sein Ansehen und sein Leben verloren. Doch seine zuchtlose inkompetente Horde arabischer Kämpfer hatte sich rehabilitiert – sie waren nicht länger die glücklosen „militärischen Gäste“, sondern hatten sich den Ruf erworben, mit geradezu verwegener Tapferkeit unter Beschuss zu improvisieren.
Auch Osama war den Erwartungen gerecht geworden. Mit diesem einen Sieg stellte er seine Reputation als Dschihadi, als Heiliger Krieger des Islam und Emir der afghanischen Araber, wieder her.
Osama bin Laden war zur Legende geworden.
DER EMIR
VOM KAMPF ERHOLTE SICH OSAMA in Gesellschaft seiner vier Frauen und der wachsenden Kinderschar – über zehn waren es inzwischen. Der Mann, der bereit war, auf drei Kontinenten Kinder umzubringen, war seinen eigenen Sprösslingen ein liebevoller, zärtlicher Vater. Im August 1988 leitete Abdallah Azzam in Peschawar eine Sitzung, die einberufen wurde, um die Zukunft des Dschihad zu diskutieren. Ebenfalls anwesend waren mehrere Handlanger Sawahiris, unter anderem Abu Ubayda. Bin Laden saß an der Stirnseite des Verhandlungstisches. Er hatte das Sagen.
Die Beziehungen zwischen Osama und Azzam waren immer noch freundschaftlich, kühlten jedoch zusehends ab. Osama wollte eine 300 Mann starke Truppe aus nicht afghanischen Freiwilligen aufstellen. Er schlug vor, diese neue Einheit aus einem Kommandoelement kampferprobter Führer und den vielversprechendsten Rekruten aufzubauen, die gerade ihre Grundausbildung abgeschlossen hatten.
Obwohl er die Versammlung gebeten hatte, über diesen Vorschlag abzustimmen, war al-Qaida bereits am 17. Mai gegründet worden. Osama hatte eine Gruppe von rund einem Dutzend Männern abgeordert, um ein Trainingskader und einen harten Kern zu bilden, aus dem sich die neue Organisation entwickeln sollte. Der eigentliche Zweck der Konferenz war, das Projekt öffentlich zu machen.
Die meisten der versammelten Dschihadis hörten damals die Worte al-Qaida zum ersten Mal. Abdallah Azzam vermutete schon lange, dass bin Laden nach Beendigung des Krieges in Afghanistan eine „force in being“ aufrechterhalten wollte. Jetzt hatte Osama ihm das bestätigt.
Den Gründungsdokumenten von al-Qaida zufolge sollte die „militärische Tätigkeit“ in zwei Teile gegliedert werden: Einsätze von „begrenzter“ und solche von „offener“ Dauer. „Begrenzte Dauer“ bedeutete fortgesetzte arabische Beteiligung am Widerstand in Afghanistan. Diese Operationen würden beendet, sobald sich die Russen zurückgezogen hatten.
Militärische Einsätze von „offener Dauer“ legten jedoch unheilvoll nahe, dass die neue Organisation nach Beendigung der Auseinandersetzung mit den Sowjets gegen Ziele außerhalb Afghanistans Heiligen Krieg führen würde.
Das Protokoll der Sitzung enthielt das idealtypische Profil eines neuen Rekruten. Das umfasste Tugenden wie aus einem Pfadfinderhandbuch: „gute Manieren … frühes Aufstehen am Morgen … und Gehorsam“. Die neuen Regelungen forderten von al-Qaida-Mitgliedern auch einen al-bayat -Eid auf Osama höchstpersönlich. Vordem war der Treueschwur auf Abdallah Azzam geleistet worden.
Osama sollte später über die Gründung von al-Qaida sagen: „Bruder Abu Ubayda baute das Lager auf, in dem junge Männer zum Kampf gegen die repressive atheistische und wahrhaft terroristische Sowjetunion ausgebildet wurden. Diesen Ort nennen wir al-Qaida im Sinne von Ausbildungsbasis. Daher der Name.“
Abu Ubayda war seit dem Kampf in der Höhe des Löwen nicht von Osamas Seite gewichen. Mit anderen Ägyptern übte er mehr und mehr Einfluss auf Osamas Alltag aus. Das stimmte Azzam besorgt, doch er glaubte, Osama zur Vernunft bringen zu können – vor allem, weil er die ägyptischen Hardliner für verrückt hielt.
Zweck von al-Qaida war die Aufstellung einer Elitetruppe als Spiegelbild des JSOC. Nur die Besten und die Cleversten sollten dazugehören. Besonders begehrt waren Kandidaten, die sich mit Technik, Chemie, Computern und Medien auskannten, oder solche, die Fremdsprachen beherrschten.
Hatte ein Rekrut den Einstellungstest bestanden, durchlief er eine Reihe von „Testlagern“ zur Prüfung seiner Entschlossenheit und seines religiösen Eifers. Neben der Chance auf Märtyrertod und ewigen Ruhm bot
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