Codewort Geronimo - der Augenzeugenbericht zum Einsatz der Navy-SEALs gegen Osama bin Laden
unspektakulär.
Sawahiri versprach Osama, mit diesen Chemiewaffen werde er Großes vollbringen, doch ohne die operative Erfahrung Khalid Scheich Mohammeds fand es Sawahiri schwierig, erfolgreich Anschläge durchzuführen. Sein Ziel war ein Angriff auf die Vereinigten Staaten. Khalid Scheich Mohammed hatte in North Carolina studiert. Er hatte westliche Manieren und Laster und konnte ohne aufzufallen durch die Welt reisen. Das konnte Sawahiri nicht. Er trug einen Turban und paschtunische Pluderhosen, hatte eine Gebetsschwiele zwischen den Augen und sah genau so aus, wie man sich einen fanatischen Soziopathen vorstellte.
Er war der zweitgesuchteste Mann der Welt und obwohl er jetzt mehrere Bomben mit Nervengas besaß, fehlten ihm die organisatorischen und operativen Voraussetzungen, diese Waffen im Herzen des Großen Satans zu deponieren. Bin Laden und Sawahiri hatten jetzt Motiv und Möglichkeit, doch es fehlte ihnen ein Angriffsmechanismus. Sie mussten einen Weg finden, ihre Waffen über die Grenze nach Großbritannien oder in die Vereinigten Staaten zu bringen. Dazu brauchten sie Khalid Scheich Mohammeds Erfahrung, doch der war im geheimen Gulag der Vereinigten Staaten verschwunden. Wer, wenn nicht Sawahiri, hätte davon ausgehen müssen, dass Khalid Scheich Mohammed gefoltert würde und dass er redete. Die Uhr für al-Qaida tickte.
So sehr der fromme Sawahiri Khalid Scheich Mohammed auch hasste, ihm fehlte sowohl dessen Charisma als auch sein Auftreten, um sich die Loyalität seiner Leute zu sichern. Alle, die Sawahiri begegneten, hatten mehr oder minder den gleichen Eindruck: Er war ein zutiefst gestörter und aus dem Gleichgewicht geratener Mensch, rücksichtslos zu seinen Untergegebenen und kriecherisch gegenüber seinem Gönner Osama. Nach Khalids Verhaftung ließ Sawahiri Abu Faradsch al-Libi zum operativen Chef von al-Qaida machen, den Mann, der seine geheimen Schlupfwinkel koordinierte. Al-Libi war es, der Musab al-Zarqawi anwies, seine chemischen Waffen zum Angriff auf Koalitionstruppen im Irak einzusetzen, und einen größeren Anschlag im jordanischen Amman plante.
Als diese Anschläge zur Ausführung gelangten, zog Osama von Waziristan in ein neu angelegtes, 4.000 Quadratmeter großes Anwesen, das nur einen kurzen Fußweg vom Zugangstor zur Militära kademie Kakul in Pakistan entfernt lag. Auf dem dreieckigen Grundstück stand ein rechteckiges, zweistöckiges Haupthaus, das von drei bis sechs Meter hohen Zement- und Betonziegelmauern umgeben war. Die Fenster zur Straße an der Nordseite waren zugemauert. Es war kilometerweit das größte Haus und alle bemühten sich, es ebenso zu ignorieren wie seine seltsamen, zurückgezogenen Bewohner. Im Haupthaus gab es keine Klimaanlage, aber eine Zentralheizung. Es war gemäß Osamas schlichtem Geschmack ausgestattet. Die Möbel waren billig und die Betten mit dünnen Schaumstoffmatratzen bestückt. Auf dem Anwesen gab es abgezäunte Areale für Gärten und Tiere. An die Ostwand war eine Garage angebaut mit einem Gitterwerk, das es Besuchern ermöglichte, vom Carport ins Haupthaus zu gelangen, ohne von der Straße oder von oben gesehen zu werden. Eine lange, von hohen Mauern gesäumte Auffahrt durchschnitt das Grundstück und führte über eine Art Nebenweg oder Gasse zu einem Gästehaus und fünf kleineren Gebäuden, die Platz boten für Besprechungsräume und ein Medienstudio.
Offenbar war von Fall zu Fall an- und zugebaut worden. Es gab Schlafzimmer, die an Küchen und Bäder grenzten, sodass die Bewohner für sich bleiben konnten. Korridore und Treppenhäuser im Inneren des Hauses waren durch abschließbare Metallgitter abgeteilt – wie mit Gartentüren. Es gab Türen, die zu Ziegelmauern führten, und Gänge, die im Nichts endeten. Es war ein eigenartiges, seltsam kopflastig wirkendes Haus.
Osamas Geschmack bei der Inneneinrichtung mochte schlicht sein, doch seine Familienverhältnisse waren zunehmend komplex. Noch in Afghanistan hatte Osama einer jemenitischen Familie 5.000 US-Dollar als Brautgabe gezahlt. Im Jahr 2000 heiratete der damals 44-jährige Osama die 15-jährige Amal Ahmed al-Sadah. Um sie zur Frau nehmen zu können, ohne gegen islamisches Recht zu verstoßen, ließ sich Osama von seiner ersten Frau Najwa Ghanem scheiden. Najwa, das Mädchen, das er noch als Schüler geheiratet hatte, war aber auch seine Cousine ersten Grades. Osamas Familie gefiel das nicht. Besonders unglücklich über Osamas neue Kindbraut war seine Mutter. Doch Osama nahm
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